Wien (dpa) – Aktuell ist Robert Stadlober im Film «Führer und Verführer» als Joseph Goebbels zu sehen, eine Rolle, die Verstörung und Nachdenklichkeit zugleich hervorruft. Doch der in Wien lebende Schauspieler und Musiker zeigt in seinem neuen Album «Wenn wir einmal nicht grausam sind, dann glauben wir gleich, wir seien gut», dass er sich auch mit der dunklen Vergangenheit auseinandersetzt, indem er den literarischen Gedanken von Kurt Tucholsky aufgreift. Tucholsky, ein scharfsinniger Kritiker des Nationalsozialismus, warnte in seinen Schriften eindringlich vor den Gefahren extremistischer Ideologien, die sich in der Gesellschaft ausbreiten könnten.
Stadlober hat sich mit zwölf Gedichten von Tucholsky beschäftigt und diese musikalisch umgesetzt. Mit einer Kombination aus eingängigen Melodien und seiner Singstimme, begleitet von der Gitarre, versucht er, die zeitlosen Botschaften des Autors zu transportieren. Der Kontrast zwischen den düsteren, aber relevanten Themen und den leichten, fast fröhlichen Klängen der Musik ist bemerkenswert und für viele Hörer vielleicht unerwartet.
Musikalischer Ansatz und Botschaft
Die ausgewählten Gedichte reflektieren aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen und thematisieren Mut, Frieden und die Notwendigkeit, sich kulturell und politisch zu engagieren. Stadlober bringt besonders in Liedern wie «An das Publikum» und «Nationale Verteidigung» seine Forderung nach einer aktiven und verantwortungsbewussten Haltung in der heutigen Zeit zum Ausdruck. Diese Texte sind nicht nur nostalgisch, sie fordern das Publikum auf, hinschauen und handeln zu müssen.
Musikalisch scheint das Album jedoch mehr einem entspannten Treffen unter Freunden zu entsprechen als dem Ernst der Inhalte, die präsentiert werden. Der Wohlfühl-Sound, der fast alle Tracks durchzieht, lässt vermuten, dass eine gewisse Banalität vorhanden ist. Trotz der bedeutenden Themen wird man in eine Atmosphäre versetzt, die eher nach Leichtigkeit und Spaß klingt – eine ambivalente Mischung, die viele Hörer zum Nachdenken anregen könnte.
Eine willkommene Abwechslung bietet Stadlober in den späteren Teilen des Albums. Lieder wie «’s ist Krieg», in dem er zu rockigen Klängen greift, und der melancholisch gefärbte Song «Wo ist der Schnee» zeigen eine andere Seite seines künstlerischen Schaffens. Diese Stücke fordern die Hörer heraus und tragen die Message von Tucholsky in eine neue musikalische Dimension.
Besonders hervorzuheben ist die Interpretation von «Augen in der Großstadt», die Stadlober in einem zeitgemäßen Licht erstrahlen lässt. Im Gegensatz zu den bekannten Versionen von Hildegard Knef und Udo Lindenberg bringt er einen optimistischen und frischen Ansatz in das Stück, das von den flüchtigen Begegnungen in der urbanen Anonymität erzählt. Stadlobers Version könnte sogar jene der großen Vorbilder übertreffen und zeigt, dass auch moderne Auffassungen von Tucholskys Werk ansprechend sein können.
Der Release des Albums markiert zudem einen wichtigen Moment in Stadlobers künstlerischer Laufbahn, in der er versucht, einen Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schaffen. Seine künstlerische Auseinandersetzung mit Tucholskys Gedichten wird nicht nur als Hommage verstanden, sondern auch als Appell an seine Zuhörer, sich selbst aktiv mit der Welt um sie herum auseinanderzusetzen. Die Entscheidung, diesen literarischen Meister in ein musikalisches Format zu verwandeln, spricht für Stadlobers Engagement für Frieden und humanitäre Werte in einer Zeit, in der diese Themen nach wie vor von Bedeutung sind.
– NAG