Der Goldene Löwe der Filmfestspiele von Venedig geht in diesem Jahr an Pedro Almodóvar für seinen eindrücklichen Film «The Room Next Door». In dieser bewegenden Geschichte setzen sich zwei Freundinnen mit der Thematik des Sterbens auseinander, was den Zuschauer nicht nur zum Nachdenken anregt, sondern auch tief berührt. In den Hauptrollen glänzen die renommierten Schauspielerinnen Tilda Swinton und Julianne Moore, die die emotionale Intensität des Films entscheidend prägen.
Der Preis hat besondere Bedeutung, da Almodóvar zeigt, wie sich Menschen in schweren Zeiten gegenseitig unterstützen können. Die Geschichte basiert auf dem Buch «Was fehlt dir» von Sigrid Nunez und behandelt das sensible Thema des selbstgewählten Todes. Swinton spielt eine krebskranke Frau, die um einen letzten Wunsch bittet: Sie möchte in den letzten Momenten ihres Lebens nicht allein sein. Diese Aufforderung an ihre alte Freundin (Moore) stellt die Grundpfeiler der Freundschaft und Solidarität in herausfordernden Zeiten auf die Probe.
Emotionale Resonanz und persönliche Widmung
Die Auszeichnung des Goldenen Löwen wurde von Almodóvar mit einer bewegenden Widmung an seine Familie sowie an Swinton und Moore begleitet, die er für ihre beeindruckenden Leistungen lobte. «Sie haben ein Wunder vollbracht», äußerte er während der Zeremonie. Der Regisseur betonte auch die zentrale Botschaft seines Films: das Recht des Individuums auf einen selbstbestimmten Tod und die Freiheit, das eigene Leben zu leben und zu beenden, wie man es für richtig hält. Diese Aussage geht über den Film hinaus und berührt aktuelle gesellschaftliche Debatten über Lebensqualität und die Autonomie über das eigene Leben.
Almodóvar selbst ist international bekannt und geschätzt, nicht nur für seine Kunst, sondern auch für die Fragen, die er durch seine Filme aufwirft. Mit «The Room Next Door» macht er einen bemerkenswerten Schritt, indem er seinen ersten englischsprachigen Spielfilm vorstellt. Dies könnte eine neue Wendung in seiner Karriere darstellen und gleichzeitig die internationale Zusammenarbeit in der Filmindustrie weiter fördern.
Nicole Kidman, die für ihre herausragende Leistung in «Babygirl» als beste Schauspielerin ausgezeichnet wurde, war aufgrund eines schweren persönlichen Schicksals nicht anwesend. Ihre Mutter war kürzlich verstorben, und in ihrem Namen las die Regisseurin Halina Reijn eine ergreifende Mitteilung vor. Kidman äußerte ihren Schock über den Verlust, den sie als tiefgreifend empfindet, und dass der Preis für ihre Mutter sei. Dieser Moment verdeutlicht zudem, wie Filme und persönliche Geschichten oft auf unerwartete und bewegende Weise miteinander verwoben sind.
Weitere Auszeichnungen und thematische Vielfalt
Die Filmfestspiele 2023 waren vollgepackt mit herausragenden Leistungen und Themen, die zum Nachdenken anregen. So erhielt die italienische Regisseurin Maura Delpero für ihren Film «Vermiglio» den Großen Preis der Jury. Der Film handelt von einer Familie in einem italienischen Bergdorf während des Zweiten Weltkriegs und behandelt die Herausforderungen und Dynamiken, die mit dem Auftauchen eines Deserteurs in der Familie einhergehen. Delpero bringt eine erfrischende Perspektive auf weibliche Figuren zur Geltung und wirft einen Blick auf deren Lebensrealitäten in einem stark durch den Katholizismus und männliche Dominanz geprägten Umfeld.
Den Silbernen Löwen für die beste Regie erhielt der Amerikaner Brady Corbet für sein Werk «The Brutalist», das die Geschichte eines jüdischen Architekten erzählt, der in der Nachkriegszeit in Amerika einen Neuanfang wagt. Mit Adrien Brody in der Hauptrolle präsentiert Corbet eine Geschichte von Hoffnung und Erneuerung in grauenhaften Zeiten.
Das Kino bietet jedoch auch einen Raum, um die dunklen Kapitel der Vergangenheit zu verarbeiten. Dies wird deutlich durch die Auszeichnung für das beste Drehbuch, die an Murilo Hauser und Heitor Lorega für «Ainda estou aqui» (internationaler «I’m Still Here») ging. Der Film thematisiert die Auswirkungen der Militärdiktatur in Brasilien in den 1970er Jahren und offenbart die schrecklichen Erfahrungen, die eine Familie während dieser dunklen Zeit machen musste. Solche Geschichten sind wichtig, um das Bewusstsein für historische Ungerechtigkeiten zu schärfen und ihre Auswirkung auf die Gegenwart zu verstehen.
Besonders bemerkenswert war auch die Verleihung des Spezialpreises der Jury an die georgische Filmemacherin Dea Kulumbegashvili für ihren Film «April», der die Herausforderungen einer Frauenärztin beleuchtet, die im ländlichen Georgien illegale Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Ihre filmische Herangehensweise, die dokumentarisch anmutende Szenen mit träumerischen Sequenzen verbindet, verstärkt die emotionalen Themen, die im Film behandelt werden. Die Arbeit von Kulumbegashvili ist ein weiteres Beispiel für die Vielfalt der Geschichten, die in diesem Jahr in Venedig präsentiert wurden.
– NAG