In einem bedeutenden Schritt für die Forschung im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ein neues wissenschaftliches Netzwerk ins Leben gerufen. Mit dem Titel „Klinische Neurostimulation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie“ beteiligt sich ein Netzwerk von 17 Universitätskliniken und Experten aus dem deutschsprachigen Raum. Ziel ist es, einheitliche Standards zu schaffen, die Vorbereitung für multizentrische Studien zur therapeutischen Wirksamkeit von Neurostimulationsmethoden bei psychischen Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen ermöglichen.
Der Sprecher des Netzwerks, Prof. Dr. Julian Koenig von der Uniklinik Köln, hebt hervor, dass dieser Schritt notwendig ist, um die bislang heterogene Evidenzlage zu verbessern. Gemeinsam wolle man die Bekanntheit dieser Verfahren steigern und bestehende Vorurteile abbauen. Dies soll letztlich auch dazu beitragen, die Versorgungssituation der betroffenen Kinder und Jugendlichen zu verbessern, vor allem jener, die nicht ausreichend auf die bisherigen therapeutischen Angebote ansprechen.
Neurostimulation als vielversprechende Therapie
Neurostimulation umfasst eine Vielzahl von Methoden, die darauf abzielen, die Gehirnaktivität gezielt durch Stimulationsgeräte zu beeinflussen. Diese Ansätze haben sich bereits als effektiv bei der Behandlung von Erwachsenen mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen erwiesen. Experten wie Prof. Dr. Til Ole Bergmann von der Universitätsmedizin Mainz betonen die Relevanz solcher Verfahren: „Moderne Ansätze der personalisierten, nicht-invasiven Neurostimulation können die Aktivität von krankheitsrelevanten Hirnnetzwerken gezielt modulieren, was bei medikamentöser Behandlung oft nicht möglich ist.“
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass die angebotenen Verfahren schmerzfrei und gut verträglich sind. Dennoch bestehen bei der Anwendung im Kindes- und Jugendbereich noch Lücken in Bezug auf die benötigten multizentrischen Studien und Behandlungsstandards. Das neu gegründete Netzwerk ist bestrebt, genau diese Standards zu entwickeln und zu koordinieren.
Prof. Dr. Andreas J. Fallgatter, ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Tübingen, sieht in diesen Verfahren besonders große Chancen im Hinblick auf eine breitere therapeutische Palette, die die Psychotherapie ergänzt. Die DFG fördert das Netzwerk über einen Zeitraum von drei Jahren unter der Projektnummer 545308387.
Ein Highlight des Netzwerks ist eine geplante virtuelle Fortbildungsreihe, die internationale Experten zu Themen der klinischen Neurostimulation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie zusammenbringen soll. Diese Reihe wird in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) organisiert und soll das Wissen rund um die Neurostimulation weiter verbreiten und fördern.
Prof. Dr. Marcel Romanos, Präsident der DGKJP, äußert sich ebenfalls positiv: „Die Erkenntnis der Bedeutung psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter für die gesamtgesellschaftliche Gesundheit wird nun durch die Förderung dieses Netzwerks anerkannt. Es ist ein wesentlicher Schritt, um neurobiologische Erkenntnisse in innovative und effektive Therapieverfahren für junge Menschen umzusetzen.“
Die beteiligten Institutionen des Netzwerks sind: Uniklinik RWTH Aachen, Universität Bern, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Ruhr Universität Bochum, LVR-Universitätsklinik Essen, Universitätsklinikum Frankfurt, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Universitätsklinikum Heidelberg, Uniklinik Köln, Universitätsklinikum Leipzig, Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim, Medizinische Fakultät der Universität Magdeburg, Philipps-Universität Marburg, LMU Klinikum München, Universitätsklinikum Regensburg, Universitätsmedizin Rostock, Universitätsklinikum Tübingen und die Medizinische Universität Wien.
Die Entwicklungen in diesem Netzwerk werden mit Spannung verfolgt, da sie das Potenzial haben, die Behandlungsmethoden in der Kinder- und Jugendpsychiatrie nachhaltig zu verändern und damit, wie die Experten hoffen, die Lebensqualität von betroffenen jungen Menschen signifikant zu steigern. Weitere Informationen sind hier zu finden.