Auf dem Wilhelmplatz in Köln wurde ein neues Open-Air-Theater eröffnet, das die Zuschauer nicht nur unterhalten, sondern auch zum Nachdenken anregen soll. Das Stück „Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute“ ist eine eindringliche Aufführung, die auf die düstere Vergangenheit des Tierparks im KZ Buchenwald anspielt. Bei der Premiere fanden sich rund 250 Gäste ein, die sich auf eine erschütternde und zugleich surrealistische Zeitreise einließen, die im Jahr 1938 beginnt.
Das Ensemble, bekannt als „Wilhelm – der Verein“, nutzt die Bühne, um mit lebendigen Darstellungen und einem offenen Blick auf menschliche Abgründe zu überzeugen. Unter den Darstellern sind tierische Charaktere wie ein Pavian, ein Mufflon und ein Murmeltier, die ihre Geschichte vor dem poetischen und tragischen Hintergrund des Zoos erzählen. Der frisch eingetroffene Bär beginnt, seine Umgebung und die merkwürdigen Verhältnisse zu hinterfragen, während er die Hinweise darauf aufnimmt, was jenseits des Zauns vor sich geht.
Ein bewegendes Stück über die Abgründe der Menschlichkeit
Ein zentrales Motiv des Stücks ist die Beobachtung des Nashorns, dessen rätselhafter Tod die anderen Tiere beschäftigt. In Dialogen zwischen den Charakteren wird die Absurdität der Zäune thematisiert – sowohl die physischen als auch die unsichtbaren, die Menschen und Tiere voneinander trennen. Der Pavian erklärt dem neugierigen Bären, dass die Zäune nicht zum Schutz der Tiere aufgestellt wurden, sondern um zu verhindern, dass die „schönen“ Menschen von den „hässlichen“ profitieren. Hier wird die bitterböse Realität der Unterdrückung reflektiert.
Das Stück wird nicht nur von den tierischen Protagonisten getragen, sondern auch von einem eindringlichen Sprechchor, der an antisemitische Vorfälle in Köln und unverblümte menschenverachtende Äußerungen in sozialen Medien erinnert. Diese ehrlichen und oft erschreckenden Passagen verdeutlichen die zeitlose Relevanz der Themen, die hier behandelt werden. Bei der Aufführung erntete das Ensemble minutenlangen Applaus und zeigte somit, wie wichtig und eindringlich die Auseinandersetzung mit der Geschichte und ihrer Wiederholung ist.
Ein neuer kultureller Anlauf auf dem Wilhelmplatz
Das Theater auf dem Wilhelmplatz hat ein Comeback, nachdem es seit 2018 keine Freiluftaufführungen mehr gegeben hat. Die Gruppe hat sich zum Ziel gesetzt, diesen Platz zu einem regelmäßigen Veranstaltungsort für Open-Air-Theater zu machen, und der Premiere folgten bereits weitere Aufführungen an den Wochenenden. Die Organisatoren sind sich einig, dass die Ambiance des Platzes die perfekte Kulisse für solch nachdenkliche Stücke bietet.
Was bleibt, ist die Hoffnung, dass die Kunst auch in Zukunft Räume schafft, in denen gesellschaftliche Themen und historische Verwerfungen angesprochen werden können. Die lebendigen Darbietungen des Ensembles liefern nicht nur eine emotionale Erfahrung, sondern fordern auch zum Nachdenken und Diskurs über die Gesellschaft von heute und die Lehren aus der Vergangenheit auf. Somit wird das Open-Air-Theater nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch zu einem wichtigen Bestandteil der kulturellen Identität Kölns.
– NAG