Brüssel steht vor einer entscheidenden Phase in der Nominierung des zukünftigen Kommissionsteams. Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission, sieht sich angesichts der hängigen Nominierungen der EU-Mitgliedstaaten mit wachsenden Bedenken konfrontiert. Der Grund: Viele Staaten sind nach den Ergebnissen der Recherchen der Deutschen Presse-Agentur offenbar nicht bereit, eine ausgewogene Geschlechterverteilung bei ihren Kandidaten zu gewährleisten. Dies könnte bedeuten, dass das neue Führungsteam, das aus 27 Mitgliedern bestehen soll und von technischer Relevanz für die EU ist, zu etwa zwei Dritteln aus Männern zusammengesetzt sein wird.
Derzeit zählt der Kommissionsrat immerhin schon zwölf Frauen unter den 27 Mitgliedern, doch darauf basierend droht die Kommission, unter dem wachsenden Druck, der aus der gleichberechtigungsorientierten Agenda von von der Leyen resultiert, ins Hintertreffen zu geraten. Der anhaltende Mangel an geschlechtlicher Balance ist besonders besorgniserregend, da die Präsidentin um aktives Handeln der Mitgliedstaaten gebeten hat, um sowohl einen Mann als auch eine Frau zur Nominierung vorzuschlagen. Leider hat sich diese Bitte nicht wie geplant verbreitet, und viele Hauptstädte haben scheinbar diese wichtige Forderung ignoriert.
Trotz Appell wenig Bewegung
Insbesondere Dänemark hat öffentlich erklärt, dass man sich nicht schämen müsse, eine neutrale Nominierung vorzunehmen, und lediglich einen Mann für das Amt vorschlagen möchte. Dies ist ein Punkt, der die Entschlossenheit von von der Leyens Bemühungen in Frage stellt. In der aktuellen Diskussion heben viele kritische Stimmen hervor, dass das Fehlen von weiblichen Nominierungen nicht nur eine Frage der Gleichstellung ist, sondern auch der Glaubwürdigkeit und des Ansehens der gesamten EU.
Die Nominierungsvorschläge von Ländern wie Frankreich, Ungarn und Lettland zeigen, dass einige Mitgliedstaaten bereit sind, bestehende Kommissare zu bestätigen, aber anscheinend nicht die Notwendigkeit sehen, die von von der Leyen geforderte Geschlechterparität zu unterstützen. Nur Bulgarien hat einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, der sowohl männliche als auch weibliche Kandidaten umfasst.
Rechtliche Rahmenbedingungen unklar
Die Herausforderung für von der Leyen bleibt auch auf rechtlicher Ebene bestehen. Ihre Forderung, dass Mitgliedstaaten sowohl einen Mann als auch eine Frau nominieren, kann nicht einklagbar gemacht werden. Der EU-Vertrag räumt dem Thema Geschlechterverhältnis nur einen untergeordneten Stellenwert ein: Es wird lediglich betont, dass demographische und geografische Diversität der Mitgliedstaaten abgebildet sein sollte. Dies bedeutet, dass von der Leyen möglicherweise nicht die rechtlichen Mittel hat, ihre Vision von einer geschlechtergerechten Kommission durchzusetzen.
Die derzeitige Situation könnte gravierende Folgen haben, nicht nur für von der Leyens Position, sondern auch für das Ansehen der gesamten Institution. Alberto Alemanno, ein Experte für EU-Recht, warnt, dass ein stark männerdominiertes Kollegium die Autorität und Effektivität der Kommission gefährden könnte. Er fordert von der Präsidentin, den Mitgliedstaaten klar zu machen, dass sie unzufrieden sind und die Nominierungen überdenken müssen, um dem drohenden Reputationsschaden entgegenzuwirken.
Wenn die betreffenden Regierungen nicht proaktiv handeln, könnten schwache männliche Anwärter auf eine positionierte Kommission Schwierigkeiten haben, die notwendige Zustimmung des Europäischen Parlaments zu erhalten. Dies könnte zu Verzögerungen führen, die besonders problematisch wären, da die neue Kommission eigentlich zum 1. November ihre Amtsgeschäfte aufnehmen soll – ein kritischer Zeitpunkt, der in der geopolitischen Landschaft der USA presst.
– NAG