Udo Jürgens, der unvergessene österreichische Sänger und Komponist, wäre heute 90 Jahre alt geworden. Seine künstlerischen Ambitionen reichten weit über das üblich Erwartete hinaus. Während er das deutschsprachige Showgeschäft über Jahrzehnte prägte, läutete er mit seinen eingängigen Melodien und tiefgründigen Texten einen Wandel ein, der nicht nur aktuelle Gesellschaftsthemen sondern auch moderne Musikstile aufgriff. Seine Kinder, John und Jenny Jürgens, erinnern sich liebevoll an ihren Vater und dessen Einfluss auf ihre musikalische Bildung.
„Was er nicht wollte, ist altbacken und von gestern sein“, bemerkt John Jürgens. In einem gemeinsamen Interview erzählen sie von den vielfältigen musikalischen Einflüssen, die ihr Vater ihnen näherbrachte. Für ihn war es wichtig, seinem Publikum nicht nur Unterhaltung zu bieten, sondern auch ein Stück weit den Finger in die Wunde zu legen. „Wir waren alle sehr funky“, ergänzt Jenny, die sich speziell an die progressiven Klänge erinnert, mit denen sie aufwuchsen.
Von Schlager-Image zu musikalischer Vielfalt
Udo Jürgens, geboren als Jürgen Udo Bockelmann in Klagenfurt, kämpfte trotz seiner anfänglichen Erfolge im Schlager-Genre darum, sein Image neu zu definieren. Seine erste Single „Es waren weiße Chrysanthemen“ markierte den Beginn seiner Karriere im Jahr 1956, doch sein Ziel war es, sich von den typischen Klischees des Schlagersängers abzugrenzen. „Er wollte sich immer weiter und immer intensiver von diesem Image des Schlagersängers abheben“, erklärt Jenny.
Jürgens‘ Hit „Merci Chérie“, mit dem er den Eurovision Song Contest gewann, war ein Wendepunkt. Trotz der Massenbeliebtheit seiner frühen Lieder, langweilte ihn die Vorstellung, nur als Schlagerstar wahrgenommen zu werden. Zur Feier seines posthumen 90. Geburtstags erscheint eine Best-of-Sammlung mit dem Titel „Udo 90“, in der die musikalischen Einflüsse aus verschiedenen Epochen zahlreicher Hits deutlich hörbar sind.
Trotz seiner Erfolge war bei Jürgens‘ musikalischem Entdeckergeist eine Grenze gesetzt. So produzierte er 1981 in den USA sein englischsprachiges Album „Leave A Little Love“, das allerdings nicht den erhofften Erfolg beim Publikum fand. „Wir fanden es cool, aber das hat nicht so funktioniert“, erinnert sich Jenny an die gemischten Reaktionen auf dieses Projekt.
Soziale Themen in seinen Texten
Ein herausragendes Merkmal von Udo Jürgens‘ Musik war seine Fähigkeit, ernsthafte gesellschaftliche Themen auf humorvolle und nachdenkliche Weise anzusprechen. In Songs wie „Lieb Vaterland“ beleuchtete er die Lebensrealitäten sozialer Benachteiligter und thematisierte ökologische und politische Krisen in Titeln wie „5 Minuten vor 12“. „Der Papa hatte eine Art, in der Leichtigkeit seiner Songs immer irgendwo auch den Finger zart in eine Wunde zu legen“, beschreibt Jenny das künstlerische Talent ihres Vaters.
Ein weiteres Beispiel ist der Klassiker „Griechischer Wein“, der nicht nur die Nostalgie, sondern auch die Melancholie des Lebens widerspiegelt. Udo Jürgens schaffte es, tiefgründige Botschaften in scheinbarer Leichtigkeit zu verpacken, was seine Lieder zu Evergreen-Highlights machte.
Trotz dieser Grabenkämpfe um Worte liegt den Geschwistern mehr daran, die Musik ihres Vaters zu feiern. Die Wiederentdeckung eines unveröffentlichten Songs, „Als ich fortging“, erhielt in kurzer Zeit über 300.000 Klicks auf YouTube. Der Titel, produziert durch moderne Technik, zeigt, dass Udo Jürgens weiterhin relevant bleibt und die Liebe zu seiner Musik weiterlebt.
Posthum wird Udo Jürgens auch auf der Bühne präsent sein. Im November startet die Tournee „Da Capo Udo Jürgens“, die durch digitale Technologie Konzertaufnahmen des Sängers auf LED-Wänden zeigt, während eine Live-Band seine Songs spielt. John äußert jedoch Bedenken hinsichtlich der Verwendung seines Vaters als digitalen Avatar auf der Bühne und zieht klare Grenzen. „Das finde ich gruselig“, sagt er.
Die Liebe und der Respekt, den die Familie für Udo Jürgens hat, spiegeln sich in den Erinnerungen wider, die sie teilt. In einer Zeit, die von immer neuen Trends geprägt ist, bleibt Udo Jürgens ein zeitloses Symbol für musikalische Vielfalt und soziale Sensibilität – mehr als nur ein „Schlagersänger“. Mehr dazu erfährt man hier.