In einem angespannten Konflikt, der den Libanon und Israel seit über elf Monaten prägt, haben sich die Spannungen zuletzt erheblich zugespitzt. Israel und die Hisbollah greifen sich an, wobei diese wiederholten Angriffe an der libanesisch-israelischen Grenze Alltag geworden sind. Jeder Raketenangriff der Hisbollah wird von Luftschlägen Israels beantwortet. In den vergangenen Tagen hat sich jedoch die Situation dramatisch verschärft, als mehrere tödliche atentate im Libanon stattfanden.
Am Dienstag führte eine Explosion von Tausenden von Geräten, gefolgt von einem weiteren Angriff am Freitag auf ein Treffen führender Hisbollah-Mitglieder, zu einem signifikanten Verlust von Menschenleben – mindestens 85 Tote und über 3.000 Verletzte. Unter den Toten war auch der Militärkommandeur der Hisbollah, Ibrahim Akil. Diese Angriffe werfen die Frage auf: Welche Auswirkungen haben sie auf die Fähigkeiten der Miliz und die sich abzeichnenden Reaktionen?
Die direkte Reaktion der Hisbollah
Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hat sich unmittelbar zu den israelischen Angriffen geäußert und betont, dass diese wie eine Kriegserklärung wirken. Er versprach Vergeltung, was die Situation weiter anheizt. Experten warnen jedoch, dass die Hisbollah unter Druck steht, eine angemessene Antwort zu finden, ohne eine größere Eskalation herbeizuführen, die möglicherweise zu einem offenen Krieg führen könnte. Mohanad Hage Ali vom Carnegie Middle East Center äußert, dass die Einheiten der Hisbollah autonom agieren, was bedeutet, dass sie weiterhin Entscheidungsfreiheit im Kampf haben, auch wenn die Organisation als Ganzes getroffen wurde.
Ein Analyst aus dem Umfeld der Hisbollah, Kassim Kassir, glaubt nicht, dass die Gruppe sich wesentlich umorganisieren muss. Die Angriffe haben demnach ihren operativen Status nicht grundlegend beeinträchtigt. Es wird jedoch vermutet, dass die Hisbollah trotz der schweren Treffer auf ihre Kommandeure weiterhin kampfbereit ist und weniger bedeutende zivile Ziele in ihren Operationen angreift. Bereits gab es Berichte über Angriffe auf israelische Militärinfrastruktur in Nordisrael, was als unmittelbare Antwort auf die israelischen Angriffe gewertet werden kann.
Die Reaktionen in Israel
Die Israelis hingegen haben gemischte Reaktionen auf die aktuellen Vorfälle. Einige feiern die israelischen Luftangriffe als erfolgreichen militärischen Schritt, insbesondere im Kontext der vorangegangenen Versäumnisse der Geheimdienste, die das Hamas-Massaker am 7. Oktober übersehen hatten. Dennoch ist die Sorge um die 60.000 vertriebenen Israelis im Norden des Landes groß. Viele Bürger halten es für notwendig, dass Israel möglichst schnell eine Lösung für den Konflikt im Gaza und den zugehörigen Fronten finden sollte, um eine weitere Eskalation mit der Hisbollah zu vermeiden.
Der militärische Vorteil, den Israel gegenüber der Hisbollah hat, wird von vielen Kommentatoren hervorgehoben, gleichwohl gibt es auch Stimmen, die diese Überlegenheit relativieren. Die Probleme, die Israel mit dem kleineren, aber entschlossenen Feind Hamas hat, werden als Warnsignal aufgefasst. Einige befürchten, dass ein weiterer Militäreinsatz im Libanon zu übermäßigen Verlusten und weitreichenden Zerstörungen führen könnte. In dieser Hinsicht wird die strategische Planung des israelischen Militärs kritisch betrachtet.
Die geopolitischen Rahmenbedingungen sind ebenfalls besorgniserregend. Der Libanon befindet sich in der schwersten wirtschaftlichen Krise seiner Geschichte, und eine weitere Eskalation des Konflikts könnte das bereits verletzliche Land in eine tiefere existentielle Krise stürzen. Dabei wird die Hisbollah oft als Staat im Staate wahrgenommen, der erheblichen Einfluss und Kontrolle über viele Gebiete hat. Ein offener Krieg könnte sowohl für den Libanon als auch für Israel katastrophale Folgen haben.
Ein Großteil der Entscheidungsträger in Israel sieht von einem umfassenden Militäreinsatz im Libanon ab, insbesondere aus Furcht vor internationalen Sanktionen und Waffenembargos, die aus einer solchen Offensive resultieren könnten. Diese Überlegungen zeigen, wie komplex die aktuelle Situation ist und welche potenziellen Gefahren die weitere Eskalation birgt. Zu den Fragen, die aufgeworfen werden, gehören: Wie lange können die gegenwärtigen Konfliktlinien aufrechterhalten werden, ohne dass es zu einem größeren militärischen Drama kommt?