Wolfsburg ist derzeit im Fokus intensiver Diskussionen über die Zukunft der Volkswagen AG. Eike Rau, ein 60-jähriger Mitarbeiter des Werkes, hat einen klaren Einblick in die Herausforderungen, mit denen der Konzern konfrontiert ist. Rau pendelt seit 22 Jahren von Ochtmersleben nach Wolfsburg, wo er als Vertrauensmann für die IG Metall fungiert. Seine Worte vermitteln das Gefühl eines Unternehmens im Umbruch.
Rau hebt hervor, dass die wirtschaftliche Situation im VW-Werk besorgniserregend ist. Die Produktionszahlen sind in den letzten Jahren stark gesunken – von 836.000 Fahrzeuge im Jahr 2014 auf lediglich 490.000 im letzten Jahr. Dies lässt sich nicht nur mit dem allgemeinen Rückgang der Produktion erklären, sondern auch mit unternehmensinternen Problemen. „Wir haben hier Sozialismus mit Westgeld“, sagt er und macht damit auf ein misswirtschaftliches Management aufmerksam.
Kritik an der Unternehmensführung
Auf einer Betriebsversammlung im September, die mehr als 10.000 Mitarbeiter anzog, stellte der neue Konzernfinanzchef Arno Antlitz einen drastischen Sparkurs vor. „Wir haben noch ein Jahr, vielleicht zwei Jahre Zeit, das Ruder herumzureißen“, erklärte er. Die bereits seit 1994 geltende Jobgarantie wurde aufgekündigt, was zahlreiche Mitarbeiter zu beunruhigen begann. „Viele Kollegen empfinden das als Schlag ins Gesicht“, sagt Rau. Er betont, dass das Werk durch die Führung in eine Krise betrieben wird.
Rau, der die Entwicklungen schon länger verfolgt, stellt fest, dass im Werk strenge Hierarchien und zunehmender ineffizienter Aufwand herrschen. „Es ist vieles aufgeblasen, doch darüber wird wenig gesprochen“, erklärt er. Dies führe zu einem Gefühl der Unsicherheit unter den Beschäftigten. Darüber hinaus berichtete er, dass die Produktion häufig wegen fehlender Teile stillstehe – ein Problem, das vor zehn Jahren nicht in diesem Ausmaß bestand.
„Die Leute fragen sich, wie das sein kann und wer nun verantwortlich ist“, sagt Rau. „Es scheint niemanden zu geben, der zur Rechenschaft gezogen wird.“ Die Disparitäten zwischen den Büroentscheidungen und den tatsächlichen Bedingungen am Fließband werden immer deutlicher. Rau ist fest davon überzeugt, dass eine grundlegende Reorganisation notwendig ist, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
Gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderungen
Die Stimmung unter den Mitarbeitern ist angespannt. Die Krankenstände in der Volkswagen-Produktion sollen teilweise bis zu 15 Prozent betragen, dreimal so hoch wie der durchschnittliche Wert in der gesetzlichen Krankenversicherung. „Hier feiert keiner krank“, sagt Rau und schlägt vor, dass ein gutes Produktionsmanagement bessere Lösungen für die Arbeitsbelastung älterer Mitarbeiter bieten könnte.
Ein weiteres großes Problem, das Rau anspricht, ist die hohe Kostenstruktur, die Volkswagen belastet. Geplante Umweltauflagen und steigende Energiekosten beschleunigen die Herausforderungen, mit denen der Konzern konfrontiert ist. „Wir stehen im Wettbewerb, und das muss in die Überlegungen einfließen“, warnt er. Die Firmenspitze hat erkannt, dass es zu einem Strategiewechsel kommen muss, während gleichzeitig immer mehr Beschäftigte über den Zuschnitt der aktuellen Fahrzeuge frustriert sind.
Rau betrachtet das aktuelle Sortiment kritisch. „Volkswagen baut keine Volkswagen mehr“, sagt er, und macht damit deutlich, dass das Modellportfolio nicht mehr mit den Bedürfnissen der Kunden übereinstimmt. Immer mehr Mitarbeiter ziehen in Betracht, andere Automarken zu fahren, einfach weil die Preise der eigenen Fahrzeuge unerschwinglich geworden sind. So erzählt Rau von seiner Entscheidung, statt eines teuren VW jetzt einen Ford Transit zu fahren, ein Schritt, den er sich vor Jahren nie hätte vorstellen können.
Der Druck auf den Konzern, innovativ zu bleiben, ist hoch, und auch CEO Oliver Blume unterstreicht dies, indem er die Pläne für ein kleines E-Auto ankündigt, das 2027 für rund 20.000 Euro auf den Markt kommen soll. Während diese Maßnahme als notwendig erachtet wird, bleibt die Frage, ob der Sitz dieser Produktion in Deutschland verbleibt.
Für Mitarbeiter wie Eike Rau bleibt das Gefühl zurück, dass ohne grundlegende Veränderungen am Management und an der Produktionsorganisation das Werk Wolfsburg nicht nachhaltig sein kann. Inmitten all dieser Herausforderungen zeigt sich Rau jedoch optimistisch, was die Arbeitsmoral und den Zusammenhalt unter den Kollegen betrifft. „Ich arbeite sehr gern hier“, sagt er und macht deutlich, dass trotz der Schwierigkeiten ein Gefühl der Loyalität zum Unternehmen weiterhin besteht.
Die Diskussionen rund um die Wirtschaftlichkeit von Volkswagen und die damit verbundenen Entscheidungen sind in vollem Gange, und die Mitarbeiter sind in der alten Tradition von VW gefordert, trotz aller Widrigkeiten ihren Job zu behalten und die hohen Standards aufrechtzuerhalten. Die Entwicklung bleibt abzuwarten, wie www.mz.de berichtet.