Die Faszination für alte Bräuche und Aberglauben rund um den Tod hat kürzlich zahlreiche Interessierte auf den Domfriedhof in Verden gelockt. Die Gästeführerin Sabine Lühning, die sich als „Schwarze Witwe“ präsentierte, nahm die Teilnehmer auf eine Reise in die Vergangenheit mit. Dabei erklärte sie, wie tief verwurzelt die Bestattungskultur und der Aberglaube über den Tod in der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts waren.
Nach einbrechender Dunkelheit stellte Lühning anschaulich dar, wie der Umgang mit dem Tod früher viele Gesichter hatte. „Damals gab es Seuchen und Krankheiten. Ein Leben galt nicht viel, und der Tod war Teil des Alltags“, erklärte sie und verwies auf die Bedeutung von Ritualen, die den Verstorbenen eine Reise ins Jenseits erleichtern sollten.
Begräbnisbräuche und Aberglauben
Ein faszinierender Brauch war der „Obolus“, eine Münze, die den Verstorbenen auf die Augen oder unter die Zunge gelegt wurde. Dies sollte den Fährmann Charon entlohnen, der die Seelen über den Styx ins Totenreich transportierte. Auch die Art und Weise, wie man starb, war von großer Bedeutung. So mussten Fenster geöffnet werden, damit die Seele des Verstorbene entweichen konnte, während Spiegel verhüllt werden mussten, um zu verhindern, dass der Tod nach draußen schaut.
Insbesondere die Rolle der Leichenbitterin war früher von zentraler Bedeutung. Diese städtische Bedienstete überbrachte die Todesnachricht, lud zum Begräbnis ein und beauftragte die Totengräber. Ein Leichenschmaus gehörte anlässlich eines Todes zum guten Ton, und viele Menschen sparte jahrzehntelang dafür. „Es wurde gesungen, getanzt und reichlich getrunken“, so Lühning.
Die Totenwache hatte ebenfalls ihre Traditionen: Man versuchte, Geister zu vertreiben und es war nicht unüblich, währenddessen Karten zu spielen und fröhliche Lieder zu singen. Diese bräuchlichen Rituale waren eine Art Feier des Lebens und des Todes zugleich.
Vorzeichen und Ängste
Die Menschen hatten Angst vor plötzlichem Tod und versorgten sich daher mit Sterbesakramenten, da jeder Haushalt eine spezielle Versehgarnitur besaß. Diese bestand aus einem Kruzifix, Altartuch, Kerzenständern und kleinen Schalen für Weihwasser. Vorzeichen, wie das Stehenbleiben einer Uhr oder das Blühen eines Baumes im Winter, waren für viele ein schlechtes Omen, das den nahenden Tod ankündigte. Auch schwarze Katzen oder Krähen galten als Vorboten des Unheils.
Besonders stark war die Furcht vor der Möglichkeit, lebendig begraben zu werden. Dies führte zur Entwicklung sogenannter Sicherheitssärge mit Belüftung und Glöckchen, um im Notfall auf sich aufmerksam zu machen. Berühmte Persönlichkeiten wie Alfred Nobel waren ebenfalls von dieser Angst betroffen und hielten Zettel mit der Aufschrift „Ich bin nur scheintot“ bereit.
Die Vorstellung von „Wiedergängern“, die Nach dem Tod auferstehen und ihre Liebsten heimsuchen, schürte zusätzlich Ängste. Um dies zu verhindern, wurde die Nadel, mit der das Totenhemd genäht wurde, im Sarg gelassen und das Herdfeuer musste gelöscht werden, sobald der Leichnam das Haus verließ. Gelegentlich wurden Tote bäuchlings beerdigt, um ihre Rückkehr zu verhindern.
Die Führungen wie die von Sabine Lühning bieten nicht nur einen faszinierenden Einblick in alte Brauchtümer, sondern lassen auch die Assoziationen und das Verständnis über den Tod und das Sterben lebendig werden. Als krönenden Abschluss strahlten Laternen über den Friedhof, während bunte Seifenblasen in den Himmel stiegen – eine plakativen Darstellung der Vergänglichkeit des Lebens. Weitere Details zu diesen Bräuchen sind unter www.kreiszeitung.de nachzulesen.
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