Uelzen

Emotionale Arbeit in Beziehungen: Warum Frauen oft mehr fühlen müssen

In ihrem Artikel vom 19. August 2024 erklärt die Paartherapeutin Yvonne Beuckens, warum Frauen in heterosexuellen Beziehungen oft die Last der emotionalen Arbeit tragen, was zu einem Burnout führen kann, und betont die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels in der Aufgabenverteilung zur Förderung einer gesunden Partnerschaft.

In modernen Beziehungen stehen nicht nur alltägliche Aufgaben, wie die Hausarbeit, im Mittelpunkt, sondern auch das, was Psychologen als „emotionale Arbeit“ bezeichnen. Diese Art der Arbeit umfasst das Bemühen, die Gefühle und Bedürfnisse des Partners zu verstehen und in Gespräche zu integrieren. Die Diplom-Psychologin Yvonne Beuckens, die in Bad Nauheim tätig ist, beleuchtet dieses Phänomen und weist darauf hin, dass es vor allem Frauen sind, die häufig diese emotionale Last tragen.

Der Begriff „emotionale Arbeit“ wurde in den 1990er Jahren von der Soziologin Arlie Hochschild geprägt und beschreibt, wie Menschen, insbesondere im beruflichen Umfeld, gezwungen sind, ihre eigenen Emotionen zu steuern, um anderen entgegenzukommen. In der heutigen Zeit ist jedoch zu beobachten, dass in heterosexuellen Beziehungen Frauen unverhältnismäßig oft die Verantwortung für emotionale Aspekte übernehmen. Beuckens macht darauf aufmerksam, dass sich diese Dynamik in den letzten drei Jahrzehnten verschärft hat, während sich die gesellschaftliche Struktur der Beziehungen verändert hat.

Gesellschaftlicher Wandel und emotionale Last

In der Vergangenheit definierte sich eine Ehe in erster Linie durch wirtschaftlichen Erfolg und die Rollenverteilung, die vor allem auf der finanziellen Unterstützung eines Mannes basierte. Heute hingegen sind die Strukturen komplexer. Beuckens erklärt, dass aufgrund des Rückgangs von Dorfgemeinschaften, die das soziale Leben früher prägten, Beziehungen mehr Raum und Verantwortung einnehmen. So kommt es, dass viele Männer und Frauen sowohl für den finanziellen Unterhalt als auch für den emotionalen Bereich zuständig sind, ohne dass klare Aufgabenverteilungen existieren.

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Diese Unsicherheiten führen zu einem Ungleichgewicht. Frauen übernehmen häufig sowohl die emotionale Arbeit als auch die Hausarbeit, was auf Dauer zu Erschöpfung führen kann. Interessanterweise gibt es einen signifikanten Unterschied in der Sozialisation zwischen Männern und Frauen der heutigen Generationen. Beuckens betont, dass Jungen oft weniger Fähigkeiten beigebracht werden, um Emotionen auszudrücken oder die Gefühle anderer zu erkennen. Diese differente Sozialisation könnte dazu beitragen, dass Frauen stärker in die Rolle gedrängt werden, emotionale Zustände zu managen.

Ein weiterer Aspekt, der zur Diskussion steht, ist die mögliche biologische Grundlage für diese Unterschiede. Die Psychologin hebt hervor, dass Östrogen als „Kümmerhormon“ gilt, während Testosteron als das „Scheuklappenhormon“ angesehen wird. Dies wirft die Frage auf, ob diese hormonellen Einflüsse das Verhalten und die Wahrnehmung von Verantwortlichkeiten in Beziehungen steuern und beeinflussen.

Strategien zur Vermeidung von Ausbrennen

Wie können Frauen also vermeiden, in der emotionalen Arbeit auszubrennen? Beuckens empfiehlt, sich bewusst zu machen, ob man sich tatsächlich verantwortlich fühlt oder ob diese Verantwortung nur angenommen wird. Es ist wichtig, alternative Reaktionsweisen in Betracht zu ziehen und nicht immer automatisch die Rolle der Betreuerin einzunehmen. Die Psychologin nutzt die 3er-Regel, um ihren Klienten zu helfen: Wenn ein emotionales Ereignis auftritt, sollte man es zunächst als Zufall betrachten, beim zweiten Mal nachdenken und erst beim dritten Mal aktiv ansprechen.

Nach Beuckens‘ Ansicht stehen wir an der Schwelle zu einem Paradigmenwechsel im Umgang mit emotionaler Arbeit. Eltern heutzutage sind aufgefordert, ihren Kindern zu zeigen, dass auch Väter eine verantwortliche Rolle für emotionale Belange übernehmen können. Die zunehmende Diskussion über „Mental Load“ zeigt, dass viele Paare, insbesondere mit Kindern, in einem Spannungsfeld zwischen Tradition und modernen Ansprüchen leben.

Zudem beobachtet die Therapeutin, dass heutzutage Paare oft konservativere Ansichten entwickelten und sich mehr Struktur in ihren Beziehungen wünschen, was unter anderem durch die wachsende Popularität von sogenannten „Trad-Wives“, die sich ausschließlich auf Haushalt und Familienpflege konzentrieren, sichtbar wird. Dieser Trend wirft Fragen auf. Ist es problematisch, dass Frauen oft als emotionaler Anker der Beziehung fungieren? Beuckens schlägt vor, dass solch eine Verteilung, sofern beide Partner ihre unterschiedlichen Stärken in die Beziehung einbringen, durchaus wertvoll sein kann.

In den letzten Jahren hat die Diskussion über emotionale Arbeit in Beziehungen an Bedeutung gewonnen. Während frühere Generationen sich oft mit klaren Rollen verteilt haben, wird zunehmend die Notwendigkeit einer partnerschaftlichen Verteilung dieser Aufgaben erkannt. Statistiken zeigen, dass Männer in heterosexuellen Beziehungen oft weniger emotional engagiert sind als Frauen. Laut einer Umfrage des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2023 berichteten 68% der Frauen, dass sie die Hauptverantwortung für zwischenmenschliche Kommunikation in ihren Beziehungen übernehmen, während nur 35% der Männer dasselbe über sich sagen.

Emotionale Arbeit umfasst nicht nur das Erkennen und Verarbeiten der eigenen Gefühle, sondern auch die Unterstützung des Partners in emotional belastenden Zeiten. Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Mangel an emotionaler Unterstützung zu erhöhtem Stress und Unzufriedenheit in Beziehungen führen kann. Dies gilt besonders in stressreichen Lebensphasen, wie der Gründung einer Familie oder während beruflicher Veränderungen, wo emotionale Unterstützung entscheidend sein kann.

Genderunterschiede in der emotionalen Arbeit

Wie bereits erwähnt, gibt es historische und soziologische Kontexte, die das Phänomen der emotionalen Arbeit prägen. In vielen Kulturen werden Frauen traditionell als die primären Bezugspersonen für emotionale Unterstützung innerhalb der Familie gesehen. Diese Erwartungshaltung hat sich zwar gewandelt, doch die Verteilung der emotionalen Arbeit bleibt oft unausgeglichen. Eine Studie der Europäischen Union aus dem Jahr 2022 ergab, dass Frauen im Schnitt doppelt so viel Zeit für die emotionale Betreuung von Familienangehörigen aufwenden wie Männer.

Darüber hinaus zeigen analytische Berichte, dass soziale Prägung eine wesentliche Rolle im Umgang mit Emotionen spielt. Junge Männer wachsen häufig in Umgebungen auf, in denen emotionale Ausdrucksformen weniger gefördert werden. Dieser soziale Druck kann zu Schwierigkeiten führen, emotionale Intimität und Verbindung aufzubauen. Dies wird in einer Studie von der Universität Leipzig aus dem Jahr 2021 deutlich, die untersuchte, wie Erziehungsmuster den emotionalen Ausdruck bei Männern beeinflussen. Es stellte sich heraus, dass Männer, die in weniger emotional offenen Umfeldern aufwachsen, Schwierigkeiten haben, Emotionen zu erkennen und angemessen zu kommunizieren.

Strategien zur Gleichstellung in der emotionalen Arbeit

Um die Verteilung der emotionalen Arbeit in Beziehungen gerechter zu gestalten, ist es wichtig, über die eigene emotionale Wahrnehmung und Verantwortung nachzudenken. Die Implementierung konkreter Strategien kann helfen, die Belastung auszugleichen. Einige Therapeuten empfehlen, gemeinsame Emotionserziehungsformen zu etablieren, in denen beide Partner aktiv an der emotionalen Kommunikation teilnehmen. Ein Ansatz könnte sein, wöchentliche „Check-ins“ einzuführen, bei denen beide Partner über ihre Gefühle und Bedürfnisse sprechen. Solche Praktiken stärken nicht nur die emotionale Verbindung, sondern fördern auch die Gleichverteilung der emotionalen Arbeit.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass emotionale Arbeit eine grundlegende Komponente für gesunde Beziehungen ist, die sowohl das individuelle Wohlbefinden als auch das der Partnerschaft beeinflusst. Erkenntnisse aus Psychologie und Soziologie unterstreichen die Bedeutung einer bewussten und gerechten Verteilung dieser Aufgaben, die für das funktionale Zusammenleben in Partnerschaften entscheidend ist. Mehr Informationen finden Sie auf den Seiten des [Statistischen Bundesamtes](https://www.destatis.de) und der [Universität Leipzig](https://www.uni-leipzig.de).

– NAG

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