In der aktuellen Modebranche sorgt ein Trend für Aufsehen, der nicht nur die Kleidergrößen, sondern auch die Körperakzeptanz in Frage stellt. Während Unternehmen wie H&M Plus-Size-Kleidung aus den Geschäften verbannt und nur online verfügbar machen, äußern Experten Besorgnis über die damit verbundenen gesellschaftlichen Botschaften. Insbesondere die Mode- und Körpersoziologin Melanie Haller bringt die Problematik auf den Punkt: Der Fokus auf eine bestimmte Norm in der Mode lässt viele Menschen ausgeschlossen fühlen.
Die Marke „Brandy Melville“ ist ein Beispiel dafür, wie Körperideale in der Modeindustrie propagiert werden. Ihre Philosophie „One Size fits most“ suggeriert, dass nur eine schlanke Körperform akzeptabel ist. In einer kürzlich ausgestrahlten HBO-Dokumentation wurde diese Praxis kritisch hinterfragt: Das Unternehmen beschäftigt oft nicht-schwarze, junge, äußerst schlanke weibliche Verkäuferinnen, was viele Fragen zur Diversität und Inklusivität aufwirft.
H&M und die Herausforderung der Diversität
Die Verlagerung der Plus-Size-Mode von H&M ins Internet wird von einem Unternehmenssprecher mit dem Anstieg der Nachfrage begründet. „Da unsere Produktpalette gewachsen ist, können nicht alle Stores alle Konzepte und Größen führen“, erklärt er. Doch diese Entscheidung wirft Schatten auf die ehrliche Durchsetzung von Körpervielfalt in der Mode. Wie Haller anmerkt, wird dieses Sortiment nicht ohne Grund nur online angeboten. Während Plus-Size-Models wie Ashley Graham in Werbekampagnen zu sehen sind, belässt es die Modekette beim Teilen von Größen, die nicht in den Geschäften erhältlich sind.
„Es könnte auch so interpretiert werden, dass Ashley Graham die Quote der Übergrößen bedient und nicht das tatsächlich dargestellte Ideal verkörpert“, kritisiert die Professorin für Modetheorie. Für sie spiegelt dies ein zynisches Bild der Modeindustrie wider und verstärkt den Eindruck, dass alternative Körperformen nicht in der physischen Verkaufsumgebung akzeptiert werden.
Das Problem der „One Size“-Philosophie
„One Size“ ist für viele Menschen ein Problem, da diese Bezeichnung mehr als nur eine Größenangabe vermittelt. Haller argumentiert, dass diese Art der Vermarktung zahlreiche Körper unsichtbar macht. „Wenn man Kleidung unter dem Label ‚One Size‘ verkauft und sie nicht passt, wird das unmissverständlich vermittelt: Du hast den falschen Körper“, so die Schneiderin. Der Verzicht auf vielfältige Größenangebots trägt dazu bei, dass viele sich im eigenen Körper unwohl fühlen.
Die Modeindustrie hat ein weitreichendes Interesse daran, die aktuellen Normgrößen beizubehalten. Diese Aufspaltung führt dazu, dass Menschen, die eigentlich einer bestimmten Größe entsprechen, bei anderen Händlern von größeren Größen abhängig sind, sie im Zweifel trotzdem kaufen und auf eine Abnehmerin hoffen. Das sorgt nicht nur für unsichere Kaufentscheidungen, sondern hat auch negative Auswirkungen auf die Umwelt, da unnötige Retouren in die Höhe schnellen.
Die Problematik wird zusätzlich durch die Mängel in der vereinheitlichten Größe systematisch verschärft. Haller weist darauf hin, dass unterschiedliche Marken, wie etwa Zara und H&M, zum selben Kleidungsstück unterschiedliche Maßstäbe anlegen, was zu Frustration bei den Käufern führt. Eine Kleidergröße auf dem Etikett bedeutet nicht unbedingt, dass man in verschiedenen Geschäften dieselbe Größe hat.
Haller plädiert für mehr Differenzierung im Markt und verweist auf das frühere Handwerk der Schneider, die perfekt angepasste Kleidungsstücke entwerfen konnten. „Eine Spezialisierung auf bestimmte Körperformen könnte helfen, diese Debatte zu entkrampfen und allen Menschen gerecht zu werden“, schlussfolgert sie und fordert mehr Ehrlichkeit in der Modebranche.
Die Debatte um Körperbilder und Größen in der Modebranche hat also das Potenzial, weit über den Kleidungsmarkt hinauszugehen. Indem wir uns den Herausforderungen der Vielfalt und Körperakzeptanz stellen, können wir möglicherweise eine inklusive Zukunft gestalten, in der Mode für jeden zugänglich wird.
Die Bedeutung von Körpervielfalt in der Mode
Die Diskussion über Körpervielfalt in der Modebranche wird immer lauter. Insbesondere Plus-Size-Mode hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, sowohl in der Gesellschaft als auch in der Bekleidungsindustrie. Es gibt eine wachsende Nachfrage nach Mode, die körperliche Vielfalt repräsentiert und unterschiedliche Körperformen und -größen berücksichtigt. Studien zeigen, dass Konsumentinnen und Konsumenten zunehmend Wert auf authentische Darstellungen und Vielfalt in der Werbung legen.
Eine Umfrage des Marktforschungsunternehmens YouGov ergab, dass 63 % der Befragten es wichtig finden, dass Unternehmen Diversität in ihren Werbekampagnen zeigen. Viele Verbraucher*innen sind bereit, für Marken zu zahlen, die inklusiv sind und ethische Standards einhalten. Dies stellt die Modeindustrie vor die Herausforderung, ihren Fokus auf diese Vielfalt zu erweitern, anstatt sich auf ein enges Schönheitsideal zu beschränken.
Ein Blick auf die Herausforderungen der Plus-Size-Mode
Trotz des Fortschritts gibt es nach wie vor zahlreiche Herausforderungen in der Plus-Size-Mode. Viele große Bekleidungsunternehmen bieten zwar eine erweiterte Produktpalette online an, jedoch bleibt die Verfügbarkeit in physischen Geschäften limitiert. Ein strategischer Nachteil besteht darin, dass Konsumenten bei nicht optimaler Passform auf den Online-Kauf angewiesen sind, was zu hohen Rücksendungsquoten führt. Laut dem Bundesverband E-Commerce und Versandhandel werden rund 86 % der Bestellungen im Online-Handel aufgrund von Passformproblemen zurückgeschickt, was nicht nur ökonomische, sondern auch ökologische Auswirkungen hat.
Die Modebranche steht somit vor der Notwendigkeit, sowohl die Größenstandards als auch die Vermarktungsstrategien zu reformieren, um den Bedürfnissen einer diversifizierten Kundschaft gerecht zu werden. Der Ansatz, der häufig auf „One Size“ abzielt, wird von vielen als unzureichend angesehen, da er die vielfältigen Körperformen und -größen der Konsumentinnen und Konsumenten nicht adäquat repräsentiert.
– NAG