In Osnabrück wird ein außergewöhnliches Kunstprojekt ins Leben gerufen, das nicht nur die urbanen Räume der Stadt beleuchtet, sondern auch auf bedeutende gesellschaftliche Themen aufmerksam macht. Von 19. bis 22. September wird die Ausstellung „Knowhername“ gezeigt, bei der mehr als 25 Künstlerinnen die Gelegenheit nutzen, einen sogenannten „Lost Place“ neu zu gestalten. Ziel des Projekts ist es, die ungleiche Behandlung von Frauen und Flinta-Personen in der Kunstwelt herauszustellen, indem tabubrechende und traumhafte Künstlerarbeiten präsentiert werden.
Der ausgewählte Ort befindet sich im Katharinenviertel, wo einst das Café Herr von Butterkeks war. Dieser Raum, der für einige Zeit ungenutzt blieb, erwacht nun zu neuem Leben. Die Künstlerinnen arbeiten an der Fassade und in den Innenräumen des Gebäudes, das durch seinen nostalgischen Charme und die verblassten Tapeten an die 1970er Jahre erinnert. „Ich wollte einen Ort, mit dem man arbeiten kann, mit den Wänden, mit dem Objekt“, erklärt Katrin Lazuruk, die Kuratorin der Ausstellung. Sie bezeichnet den Raum als perfekten Ansatz für ihre Vision, welchen sie schon lange hegte.
Künstlerische Vielfalt und gesellschaftliche Botschaften
Die Bedeutung der Sichtbarkeit weiblicher Künstlerinnen wird in der Ausstellung deutlich betont. Oft werden Frauen im Kunstbetrieb deutlich weniger berücksichtigt als ihre männlichen Kollegen. Laut Lazuruk haben 60 Prozent der Künstlerinnen einen Abschluss im Kunstbereich, doch nur 30 Prozent sind tatsächlich in Galerien vertreten. Selbst während zeitgenössischer Ausstellungen ist die Dominanz männlicher Künstler unverkennbar; so hat beispielsweise die Hamburger Kunsthalle 87 Prozent männliche Künstler in ihrer Sammlung.
Um aktiv gegen diese Missstände vorzugehen, initiierte Lazuruk einen Open Call über soziale Medien, um diverse Talente zu einer Teilnahme an dem Projekt zu ermutigen. In der Zwischenzeit haben fünf der eingeladenen Künstlerinnen bereits das Ambiente des Lost Place verändert. Beate Freier-Bongaertz, eine der Mitwirkenden, hat sich einem Wohnbereich gewidmet. Sie stellt sich vor, dass in diesem Raum ein Ehepaar lebt, dessen Frau den Drang verspürt auszubrechen, sich jedoch nicht traut. Ihre Werke zeigen eine träumende Frau, die durch Pappblumen, die Besucher entnehmen können, ergänzt wird.
Persönliche Geschichten sind der Schlüssel
Merle Lembeck bringt ihre eigene Geschichte in die Kunst ein. Nach ihrer Elternzeit hat sie die Phasen ihrer Schwangerschaft fotografisch festgehalten und dieses Wachstum in Wellenbewegungen künstlerisch umgesetzt – eine kraftvolle Veranschaulichung von Mutterschaft und den Herausforderungen, die mit ihr einhergehen. Lembeck reflektiert über die Unsichtbarkeit von Künstlerinnen während der Elternzeit und den Druck, ständig produzieren zu müssen.
Neben ihr ist Charlotte Dally, die bedeutende Frauen der Geschichte darstellt, darunter Simone de Beauvoir und Jane Goodall. Ihre Werke sollen alle daran erinnern, dass Frauen in der Geschichte stets mutig waren, trotz aller Widrigkeiten. Ihr Leitsatz „There have always been women who acted courageously“ unterstreicht das Anliegen der Ausstellung, weibliches Schaffen zu würdigen.
Die Designerinnen Marlies Wieking und Theresa Kölln haben die Atmosphäre des Ortes analysiert und mit ihrem Mosaik die Fassade künstlerisch bereichert. Ihre Wirkung entfaltet sich durch Farbspiele, die sowohl den Verfall des Gebäudes als auch den Einfluss der Natur widerspiegeln. Der Putz bröckelt, Pflanzen wuchern, während gleichzeitig eine türkis-weiße Badezimmer-Szene das Spiel mit Tabus und Intimität zwischen Frauen thematisiert.
Die temporäre Natur dieser Kunstwerke ist ein zentraler Aspekt des Projekts. Nach der Ausstellung wird das Gebäude wieder seiner Einsamkeit überlassen, und mit ihm werden auch die Kunstwerke verschwinden. Diese Entwicklung verweist auf die Vergänglichkeit künstlerischer Ausdrucksformen in ungenutzten Räumen, die durch Wetterbedingungen, Pflanzenbewuchs oder Renovierungsarbeiten beeinträchtigt werden können.
Die Ausstellung „Knowhername“ wird die Aufmerksamkeit auf die kreative Schaffenskraft von Frauen und Flinta-Personen lenken und ihrem Wunsch nach mehr Sichtbarkeit und Anerkennung in der Kunstwelt Nachdruck verleihen. Diese Initiative zeigt, wie Kunst nicht nur ästhetischen Wert hat, sondern auch hochpolitisch ist und Herausforderungen der Gegenwart diskutiert.Wie www.ndr.de berichtet.