Bei einer kürzlich abgehaltenen Diskussionsveranstaltung im Gasthaus Kempermann in Großenkneten stehen die Herausforderungen durch rechtsextreme Strukturen im Landkreis Oldenburg im Fokus. Die Veranstaltung zog ein breites Publikum an, darunter Interessierte aus der Gemeinde sowie angrenzenden Regionen. Der Anlass für die rege Teilnahme waren die jüngsten Wahlerfolge der AfD und die anhaltenden Debatten um die Notunterkunft für Flüchtlinge in Ahlhorn, was die Aktualität und Brisanz des Themas unterstrich.
Im Gespräch waren Jan Krieger von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, die Politologin und Journalistin Andrea Röpke sowie Lena Nzume, Sprecherin für Diversität an Schulen der grünen Landtagsfraktion Niedersachsen. Die Expert:innen erklärten, dass rechte Ideologien zunehmend auch in Schulen und Jugendeinrichtungen sichtbar werden. Insbesondere werden Jugendliche beobachtet, die sich durch rechte Symbole und Kleidung von der Masse abheben. Dies führt häufig zu Ausgrenzung und Beleidigungen. Lehrer fühlen sich oft überfordert, weil ihnen das nötige Wissen über rechtsextreme Symbolik fehlt.
Sichtbare rechte Strukturen und ihre Auswirkungen
Krieger berichtete von einer zunehmenden Verrohung in der Gesellschaft. Er stellte klar, dass alltägliche rassistische Äußerungen, die früher nicht offen gesagt wurden, mittlerweile zum Alltag gehören. Dies zeigt sich besonders bei Veranstaltungen wie CSD-Paraden oder in Form von Angriffen auf Kommunalpolitiker. In der Vergangenheit gab es bereits Vorfälle rechter Gewalt, darunter ein Brandanschlag auf das Restaurant „Gantero“ in Ganderkesee im Oktober 2020, bei dem rechte Symbole entdeckt wurden, sowie der Fund von Brandflaschen an einer Flüchtlingsunterkunft in Wildeshausen Anfang 2023.
Rechtsradikale Gruppen sind nicht nur in typischen Milieus wie den Rockerbrettern aktiv, sondern sind auch in Kampfsportgemeinschaften oder Fitnessstudios präsent. Auch unkonventionelle Aktivitäten, wie Wünschelruten-Seminare und das Verkleben rechter Sticker an Bushaltestellen, sind Hinweise auf die Verbreitung rechter Ideologien. Dazu kommt, dass diese Akteure Einfluss auf Elterngremien und Schulgemeinschaften ausüben. Röpke berichtete von Forderungen, die Schulpflicht auszusetzen oder sogar eigene Schulen zu gründen, in denen kontroverse historische Themen unkritisch behandelt werden.
Die Rolle der AfD in der Normalisierung rechter Ansichten
Ein entscheidender Punkt in der Diskussion war die Rolle der AfD. Krieger war der Überzeugung, dass die Partei maßgeblich zur Normalisierung von rechtsextremem Gedankengut beigetragen hat. Besonders über soziale Medien wie TikTok verbreitet die AfD Falschnachrichten und inszenierte Darstellungen von politischen Gegnern. Dies trifft viele Menschen, da die Partei vermeintlich einfache Lösungen für komplexe Probleme bietet. Nzume verdeutlichte, dass in politischen Debatten im Landtag oft falsche Tatsachen oder Verschwörungstheorien geäußert werden, die dann erst korrigiert werden müssen, bevor eine fundierte Diskussion über die Inhalte der Parteiprogramme möglich ist.
Darüber hinaus versucht die AfD, Druck auf Schülervertretungen und Vereine auszuüben, indem sie direkt Kontakt aufnimmt und Stellungnahmen fordert. Diese Strategien sollen ein Klima der Angst erzeugen, das die öffentliche Meinung beeinflusst. Röpke warnte davor, dass die AfD sich als bürgerlich präsentiert, während sie gleichzeitig extremistische Ideen propagiert und die demokratischen Werte in Frage stellt. In ihren Ausführungen stellte sie klar, dass die gesamte Partei als rechtsextrem und antidemokratisch anzusehen sei, da es keine gemäßigten Strömungen innerhalb der AfD gebe.
Angesichts dieser Entwicklungen ist es unverzichtbar, Gegenstrategien zu entwickeln, um die Verbreitung rechter Ideologien zu verhindern. Jan Krieger betonte die Notwendigkeit, Lehrkräfte gezielt zu schulen, um rechtes Gedankengut zu erkennen und effektiv zu begegnen. Auch ein Medientraining über Fakenews für Schüler und Erwachsene kann helfen, das Bewusstsein für die Gefahren rechter Propaganda zu schärfen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Kooperation mit Gedenkstätten und die Auseinandersetzung mit Rassismus durch interaktive Formate wie Planspiele und das Engagement in Projekten wie „Schule ohne Rassismus“. Die Mobile Beratung unterstützt Institutionen dabei, ihre Hausordnungen zu überarbeiten, um rassistischen Einflüssen entgegenzuwirken. Röpke rief dazu auf, aktiv zu werden, die eigene Haltung zu zeigen und sich mit anderen zu vernetzen. „Wir müssen auf der Hut sein und die Leute ermutigen, sich nicht von rechten Ideologien einschüchtern zu lassen“, so ihre eindringliche Botschaft.
Insgesamt ist es wichtig, die Integrationsarbeit vor Ort zu stärken und Begegnungsmöglichkeiten zu schaffen, um Vorurteile abzubauen und ein positives Bild von Migration zu fördern. „Wir sind Menschen, und es ist entscheidend, dass wir uns gegenseitig mit Respekt begegnen“, fügte Nzume hinzu.