Ein bewegendes Projekt nahm am Samstag im Oldenburger Kino Casablanca seinen Anfang: Der Film „Jenseits von Schuld“, der die Eltern des verurteilten Mörders Niels Högel in den Mittelpunkt stellt, feierte seine norddeutsche Uraufführung während des Oldenburger Filmfests. Die Regisseurinnen Katharina Köster und Katrin Nemec haben es geschafft, intime Einblicke in das Leben der Eltern zu ermöglichen, ohne die grausamen Taten ihres Sohnes zu rechtfertigen. Die Vorführung zog fast 200 Besucher an, die nicht nur den Film sahen, sondern auch an einer anschließenden Diskussion mit den Filmemacherinnen sowie Petra Klein von der Opferhilfeorganisation Weisser Ring teilnahmen.
Der Film bietet einen tiefen Einblick in das Leben von zwei Menschen, deren Welt nach der Festnahme ihres Sohnes vollkommen aus den Fugen geraten ist. Der Zuschauer erhält über 90 Minuten lang eine eindrucksvolle Einsicht in die emotionalen und psychologischen Herausforderungen, mit denen die Eltern konfrontiert sind. Die Szenen, die zum größten Teil in der Wohnung in Wilhelmshaven gedreht wurden, verdeutlichen die Verzweiflung und das Ringen der Eltern mit den unvorstellbaren Taten ihres Kindes.
Ein neuer Blick auf die Eltern
Der Fall Högel ist in den Medien bereits vielfach behandelt worden, aber der Ansatz, die Eltern zu beleuchten, ist einzigartig. Köster, die familiäre Verbindungen nach Oldenburg hat, und Nemec haben sich auf diese Gratwanderung gewagt, bei der sie den elterlichen Gefühlen Raum geben, während sie gleichzeitig die Schwere der Morde nicht verharmlosen. Die Herausforderung bestand darin, diese schmerzliche Dualität darzustellen.
Die Emotionen der Eltern sind im gesamten Film deutlich spürbar, besonders, wenn sie die Medienberichterstattung über die Gerichtsverfahren verfolgen. Ihre Reaktionen auf die oft sensationellen Schlagzeilen machen deutlich, wie sehr die Eltern unter dem Druck der Öffentlichkeit leiden. Während sie selten offen Kritik äußern, wird klar, dass auch sie in der Berichterstattung oft als Opfer betrachtet werden müssen. Der Film stellt die rhetorische Frage, ob das intimste Familienleben der Eltern einen Platz in den Schlagzeilen der Presse haben sollte, und zielt darauf ab, den Zuschauern diese moralische Fragestellung klar zu machen.
Wichtige Vorführungen und Sensibilität
„Jenseits von Schuld“ wird auch weiterhin im Rahmen des Oldenburger Filmfests gezeigt, unter anderem am Sonntag, dem 15. September. Zudem sind weitere Premieren in Delmenhorst und Bremen geplant, und der Film wird am 19. September in die Kinos kommen. Die Regisseurinnen haben betont, dass höchste Sensibilität sowohl gegenüber den Högels als auch den Angehörigen der Högel-Opfer großgeschrieben wird. Dies zeigt sich in der Bitte an die Medien, Niels Högel während der Berichterstattung nicht abzubilden und beschrieben wird, dass keine weiteren Fragen zu seiner Familie beantwortet werden.
Die Filmemacherinnen haben den Respekt vor den Opfern und ihren Hinterbliebenen mehrfach betont. Der Film soll nicht zur Retraumatisierung der Angehörigen führen. Stattdessen wird er als ein Beispiel betrachtet, das auch für andere Täterfamilien Impulse setzen könnte, selbst wenn jede Beziehung und jeder Mensch individuell auf die Tragödien reagieren.
Die Vorführung in Oldenburg hatte eine besondere Bedeutung, kein Wunder, dass das Publikum die Mutigkeit der Eltern schätzte, sich durch den Film und ihre Öffentlichkeitspräsenz identifizierbar zu machen. Ob dieser Film die Diskussion über die komplexe Beziehung zwischen Tätern und ihren Angehörigen vorantreibt, wird sich mit dem offiziellen Kinostart zeigen, der für den 19. September angesetzt ist, während eine TV-Ausstrahlung im ZDF frühestens für Herbst 2025 geplant ist.
Für weiterführende Informationen zu den einzelnen Vorführterminen und dem Film selbst, können die Details auf der Webseite www.realfictionfilme.de/jenseits-von-schuld.html eingesehen werden. Solche Einblicke könnten dazu beitragen, in einem Themenfeld zu sensibilisieren, das häufig aus einer parallel bestehenden Schuld- und Schamdebatte herausgehalten wird.