Vor 50 Jahren, am 9. Oktober 1974, verstarb Oskar Schindler in Hildesheim. Der Unternehmer und Nazi, der 1100 jüdischen Menschen während des Holocaust das Leben rettete, bleibt eine komplexe Figur der Geschichte. Seine Biografie ist von Widersprüchen geprägt: Einerseits war er ein Mann, der von Hitlers aggressiver Kriegspolitik profitierte, andererseits entwickelte er einen ausgeprägten Sinn für das Leid seiner jüdischen Arbeiter, was ihn schließlich dazu veranlasste, sie vor der Deportation und dem sicheren Tod zu retten.
Schindler wurde am 28. April 1908 in der mährischen Stadt Zwittau (heute: Svitavy) geboren. Diese Stadt gehörte ursprünglich zu Österreich-Ungarn und wurde nach dem Ersten Weltkrieg Teil der Tschechoslowakei. Der Großteil der Bevölkerung fühlte sich als Deutscher, was auch auf die Familie Schindler zutraf.
Der Wandel eines Nationalsozialisten
Der Wendepunkt in Schindlers Leben trat 1939 ein, als er der NSDAP beitrat. Er sicherte sich damit ein gewisses Maß an Einfluss und Schutz. Nach der Besetzung Polens übernahm er eine Emaillierfabrik, die zuvor jüdischen Besitzern gehörte. Schindler profitierte nicht nur finanziell, sondern sah auch die Möglichkeit, Juden zu beschäftigen, die dann vor der Vernichtung bewahrt wurden.
Zeugen, darunter der rettete Jude Mietek Pemper, berichteten von Schindlers moralischem Wandel. Pempers Aussage beschreibt, wie Schindler zwar anfangs ein überzeugter Nationalsozialist war, seine Haltung jedoch änderte, als er das Leid der jüdischen Menschen miterlebte. Pemper erklärte: „Er hatte ein weiches Herz.“
Schindlers Mitgefühl wurde insbesondere im Jahr 1943 sichtbar, als das Krakauer Ghetto aufgelöst wurde. Viele seiner Arbeiter wurden ins Konzentrationslager Plaszow deportiert, wo der brutale SS-Kommandant Amon Göth regierte. Trotz der Gefahr suchte Schindler aktiv die Nähe zu Göth, um seine Arbeiter zu schützen.
Die berühmten Listen
Eine der bekanntesten Maßnahmen Schindlers waren die Listen, die später durch Steven Spielbergs Film „Schindlers Liste“ berühmt wurden. Schindler beschloss, die Namen seiner Arbeiter – sowie weitere jüdische Namen – aufzulisten, um für ihre Sicherheit zu sorgen. Dabei „dichtete“ er teils Berufe an, um zusätzliche Namen in die Listen aufzunehmen. Am Schluss erkannte die SS 1078 Männer und Frauen an, die er vor dem Tod bewahren konnte.
Um die Sicherheit seiner Fabrik in Brünnlitz zu gewährleisten, musste Schindler nicht nur für die Versorgung seiner Arbeiter aufkommen, sondern auch für die SS-Wachmannschaft. Historiker schätzen, dass er in etwa 26 Millionen Euro – angepasst an die heutige Kaufkraft – an Bestechungsgeldern und zusätzlichen Ausgaben aufbrachte, um seine jüdischen Arbeiter zu schützen.
Im Januar 1945, als die Rote Armee näher rückte und viele jüdische Menschen in Gefahr waren, nahm Schindler weitere 81 ungarische Juden auf. Mit einer mutigen Ausrede konnte er den Transport der Juden zu einem Vernichtungslager verhindern und sie in Sicherheit bringen.
Ein Leben nach dem Krieg
Nach dem Krieg war Schindler verarmt und verließ Europa, nachdem er und seine Frau 1945 nach Argentinien zogen und dort eine Nutriafarm gründeten. Schließlich kehrte er nach Deutschland zurück, wo er jedoch die Herausforderungen eines normalisierten Lebens nicht bewältigen konnte und immer wieder in finanzielle Schwierigkeiten geriet.
Er fand kommenden Lebenssinn erst wieder, als er in Tel Aviv eine Hildesheimer Arztgattin kennenlernte, die ihn zu ihr nach Hildesheim einlud. Dort lebte er bis zu seinem Tod weitgehend von der Unterstützung der jüdischen Gemeinschaft, die ihn nie vergaß und ihm half, trotz seines vorherigen Lebens als Nationalsozialist. Bei seiner Beerdigung, die viele jüdische Überlebende besuchten, wurde schließlich der wahre Wert Schindlers erkannt.
In Hildesheim erinnern heute die Oskar-Schindler-Straße sowie ein kleines Denkmal an seine Taten. Auch eine Schule trägt seinen Namen. Wie viele andere Persönlichkeiten der Geschichte bleibt Oskar Schindler eine Figur, die durch ihre Widersprüche und ihren mutigen Einsatz für das Lebensrecht von Tausenden von Menschen hervorstechen. Sein Erbe lebt weiter, und sein Handeln ist heute ein Beispiel für Mut und Menschlichkeit in einer der dunkelsten Zeiten der Geschichte.