Hildesheim. Die Diskussion um sexuelle Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche wird erneut durch einen besonders auffälligen Fall im Bistum Hildesheim angeheizt.
Schmerzensgeldforderung und Verjährung
Ein 50-jähriger Mann aus Hildesheim hat das Bistum auf Schmerzensgeld in Höhe von 400.000 Euro plus Zinsen verklagt. Der Kläger gibt an, zwischen 1984 und 1985 von einem inzwischen verstorbenen Pfarrer sexuell missbraucht worden zu sein. Das Bistum beantragt nun die Abweisung dieser Klage, da es die Schilderungen des Opfers als nicht nachvollziehbar erachtet und zudem auf die Verjährung des Antrags verweist.
Bedeutung des Gerichtsurteils
Dieses Gerichtsverfahren ist von hoher Relevanz für die Öffentlichkeit, denn es ist das erste Mal in Norddeutschland, dass eine Schmerzensgeldforderung gegen ein Bistum vor Gericht verhandelt wird. Die Entscheidung könnte als Präzedenzfall dienen und möglicherweise die Vorgehensweisen anderer Bistümer beeinflussen.
Unzufriedenheit mit bisherigen Anerkennungsleistungen
Das Bistum Hildesheim hatte in der Vergangenheit Betroffenen von sexuellem Missbrauch finanzielle Anerkennungen von bis zu 50.000 Euro durch eine unabhängige Kommission angeboten. Der Kläger hatte jedoch diese Zahlung als unzureichend empfunden und verlangt, dass sein Fall als schwerwiegender eingestuft wird, damit er Anspruch auf eine höhere Summe erhält. Er warf dem Bistum vor, die bisherigen Verfahren zu bagatellisieren.
Ablehnung eines außergerichtlichen Vergleichs
Der Mann hat das Bistum wiederholt um außergerichtliche Vergleichsverhandlungen gebeten, doch das Bistum hat dies mit dem Argument abgelehnt, dass in solchen Fällen eine unabhängige Instanz fehle. Der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer hatte außerdem solche Einigungen als „Mauschelei“ bezeichnet, was der öffentlichen Diskussion ein zusätzliches Moment an Komplexität hinzufügt.
Umgang mit Kirchensteuermitteln
Eine der Begründungen des Bistums, in dieser Angelegenheit auf die Verjährung zu bestehen, ist der sorgsame Umgang mit Kirchensteuermitteln. Auf der offiziellen Webseite weist das Bistum darauf hin, dass alle Zahlungen an Betroffene aus diesen Mitteln geleistet werden, und die Bistumsleitung daher zu einer verantwortungsvollen Handhabung verpflichtet ist.
Rechtslage und kommende Schritte
Wichtig ist auch die rechtliche Perspektive: Das Gericht muss entscheiden, ob die mutmaßlichen Taten im schulischen oder privaten Bereich stattfanden und wie dies die Anwendbarkeit gesetzlicher Regelungen zur Amtshaftung beeinflusst. Der Kläger hat nun vier Wochen Zeit, um auf die Klageerwiderung des Bistums zu reagieren. Ein erster Gerichtsverhandlungstermin wird voraussichtlich in naher Zukunft angesetzt.
Diese rechtlichen Auseinandersetzungen um Missbrauchsvorwürfe in der Kirche werfen wichtige Fragen über Verantwortung und Transparenz auf, die in der aktuellen Debatte um den Umgang mit sexuellen Übergriffen in Institutionen unverzichtbar sind.
– NAG