Hannover. Die jüngsten Entwicklungen an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) bringen neue Dimensionen in den bereits langanhaltenden Streit um die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte. Ein angestrebter Warnstreik, der ursprünglich die Schaffung eines Entlastungstarifvertrags zum Ziel hatte, wurde durch ein Urteil des Arbeitsgerichts Hannover abrupt gestoppt.
Das Arbeitsgericht traf die Entscheidung, dass der geplante Warnstreik gegen die sogenannten Friedenspflichten verstößt. Diese Regeln sollen Streiks in bestimmten Situationen und Zeiträumen einschränken, um die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Interessen aufrechtzuerhalten. Die Richterin merkte zudem an, dass die Ziele des Warnstreiks nicht mit den Bedingungen eines rechtmäßigen Streiks in Einklang stehen. Details der Entscheidung wurden im Nachgang allerdings nicht veröffentlicht, was für zusätzliche Verwirrung sorgen könnte.
Vorgeschichte und Forderungen der Beschäftigten
Die Fachkräfte der MHH fordern seit langem eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen, was sich in den Forderungen nach einem Entlastungstarifvertrag konkretisiert. Dieser soll dazu beitragen, einen bedarfsgerechten Personalschlüssel zu etablieren. Ein weiterer wichtiges Anliegen der Mitarbeitenden ist die Einführung eines Belastungsausgleichs, der in Form von zusätzlichen freien Tagen realisiert werden soll, wenn die Mindestanzahl an Personal nicht erreicht wird.
Die Gewerkschaft Verdi hatte sich im Vorfeld an das Präsidium der MHH gewandt und ihre Forderungen schriftlich am 8. Mai übergeben. Nachdem ein Ultimatum verstrichen war, rief Verdi die Beschäftigten zu einem Warnstreik auf. Letzten Freitag legten dann mehrere Hundert Mitarbeitende für kurze Zeit ihre Arbeit nieder. Die Dringlichkeit der Situation und das Bedürfnis nach Entlastung sorgten für eine beachtliche Mobilisierung unter den Beschäftigten.
In einem bemerkenswerten Schritt klagte jedoch die Landesregierung gegen den für Mittwoch angesetzten dreitägigen Warnstreik. Dies zeigt, wie hoch die Spannungen im Gesundheitssystem sind und wie wichtig die Entscheidung des Gerichts in diesem Kontext ist.
Reaktionen auf das Gerichtsurteil
Nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts kündigte David Matrai, der zuständige Fachbereichsleiter bei Verdi, an, dass die Gewerkschaft zunächst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten wolle, bevor weitere Schritte unternommen werden. Trotz dieser Rückschläge bekräftigte Matrai den Willen der Gewerkschaft, sich weiterhin für einen Entlastungstarifvertrag an der MHH einzusetzen. Dieser könnte dem bundesweiten Trend folgen, da an bereits 21 anderen Kliniken ähnliche Vereinbarungen getroffen wurden.
Die Landesbezirksleiterin von Verdi, Andrea Wemheuer, betonte, dass das Gericht nicht gegen die Idee eines Entlastungstarifvertrags geurteilt habe, sondern lediglich um eine schärfere Formulierung der Forderungen bat. „Wir werden dies zeitnah tun, um dann umso kraftvoller ein Zeichen zu setzen”, bemerkte sie optimistisch.
Niedersachsens Wissenschaftsminister Falko Mohrs äußerte sich ebenfalls zu diesem Urteil. Er stellte klar, dass die Entscheidung des Arbeitsgerichts im Interesse der Patientinnen und Patienten sei. Der Minister unterstrich die Notwendigkeit, eine „realisierbare Lösung” für die Entlastung der Beschäftigten herbeizuführen, und erinnerte daran, dass bereits Gespräche auf betrieblicher Ebene angeboten worden seien.
Einblicke in die aktuelle Situation
Die Herausforderungen im Gesundheitswesen, insbesondere in der Pflege, sind ein brisantes Thema. Die aktuelle Lage an der MHH verdeutlicht, wie dringend eine Reform der Arbeitsbedingungen notwendig ist. Während sich die Beschäftigten hinter ihren Forderungen versammeln, bleibt abzuwarten, wie die Gespräche zwischen der Gewerkschaft und der Landesregierung weiterverlaufen werden. Die Diskussion um angemessene Arbeitsbedingungen und faire Entlohnung für Pflegekräfte ist ebenfalls ein Ausdruck der breiteren Problematik, die viele ähnliche Einrichtungen in Deutschland betrifft.
Im Kern spiegelt die Situation am MHH die Nöte einer Branche wider, die seit Monaten im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit steht, und bietet einen Einblick in die komplexen Verhandlungen, die nötig sind, um gravierende Lösungen zu finden, die sowohl den Beschäftigten als auch den Patienten gerecht werden.
Hannover. Seit langem wird über Belastung in der Pflege gesprochen, die Beschäftigten der MHH wollen Entlastung. Ein erneuter Warnstreik soll Druck machen. Doch ein Gerichtsurteil ändert erst einmal alles.
Das Arbeitsgericht Hannover hat einen erneuten Warnstreik von Beschäftigten der Medizinischen Hochschule im Streit um einen Entlastungstarifvertrag untersagt. Nach Angaben der Vorsitzenden Richterin verstoße der Warnstreik gegen die Friedenspflicht, sagte ein Sprecher des Arbeitsgerichts. Auch würden „Ziele verfolgt, die mit einem Streik nicht verfolgt werden können”. Details wurden nicht bekannt.
Forderungen des Pflegepersonals nach einem Entlastungstarifvertrag sind nach Angaben der Gewerkschaft Verdi am 8. Mai an das Präsidium der Medizinischen Hochschule Hannover übergeben worden, ein Ultimatum verstrich demnach. Die Gewerkschaft rief zum Warnstreik auf, am vergangenen Freitag legten demnach mehrere Hundert Beschäftigte der MHH vorübergehend die Arbeit nieder. Gegen einen von Mittwoch an geplanten dreitägigen Warnstreik klagte laut Verdi die Landesregierung am Arbeitsgericht.
Gewerkschaft will schriftliche Urteilsbegründung abwarten
Gefordert wird von den Beschäftigten eine zusätzliche Regelung, ein Entlastungstarifvertrag soll demnach bedarfsgerechte Personalschlüssel bringen, außerdem soll ein Belastungsausgleich durch freie Tage bei Unterschreiten der vereinbarten Personalschlüssel kommen.
Nach dem Urteil kündigte die Gewerkschaft an, die schriftliche Urteilsbegründung abwarten zu wollen, um dann über das weitere Vorgehen zu beraten. „Fest steht, dass wir uns weiterhin für einen Tarifvertrag Entlastung an der MHH einsetzen, so wie er bereits an 21 anderen Kliniken bundesweit gilt”, sagte der zuständige Fachbereichsleiter David Matrai. „Wir fordern daher die Landesregierung auf, endlich Tarifverhandlungen zuzustimmen.”
Verdi: Forderungen schärfen
Die Verdi-Landesbezirksleiterin Andrea Wemheuer erklärte, das Gericht habe nicht grundsätzlich gegen die Forderung nach einem Entlastungstarifvertrag an der MHH geurteilt, „sondern lediglich zur Schärfung einzelner Forderungen aufgefordert.” Sie betonte: „Wir werden dies zeitnah tun, um dann umso kraftvoller ein Zeichen zu setzen.”
Niedersachsens Wissenschaftsminister Falko Mohrs sagte: „Die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist im Sinne der Patientinnen und Patienten.” Der SPD-Politiker betonte, es müsse nun um eine „realisierbare Lösung” zur Entlastung der Beschäftigten gehen, eine Entlastungsvereinbarung sei ihnen schon angeboten worden. „Das Angebot, Gespräche auf betrieblicher Ebene zu führen, steht weiterhin”, sagte er.
Hintergründe zur Pflegesituation in Deutschland
Die Pflegesituation in Deutschland ist seit Jahren angespannt. Laut dem Statistischen Bundesamt sind die Zahlen der Pflegebedürftigen rückläufig, während die Belastung für Pflegepersonal stetig zunimmt. Einem Bericht der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) zufolge fehlen in deutschen Pflegeeinrichtungen und Kliniken bis zu 200.000 Fachkräfte. Das führt nicht nur zu erhöhter Arbeitsbelastung, sondern auch zu einer sinkenden Qualität der Pflege, was die Beschäftigten und die Patienten gleichermaßen betrifft. Viele Beschäftigte leiden unter dem Druck, da sie oft nicht ausreichend Zeit für die Pflege der Patienten haben.
In Reaktion auf diese Situation haben bundesweit zahlreiche Einrichtungen begonnen, sogenannte Entlastungstarifverträge abzuschließen, um die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern. Diese Verträge sollen konkrete Regelungen für das Personalaufkommen und Maßnahmen zur Stressreduzierung bieten. Der Fall der MHH ist exemplarisch für die aktuellen Herausforderungen und den Widerstand, der in vielen Einrichtungen zu beobachten ist.
Daten und Statistiken zur Pflegebelastung
Laut einer Umfrage der Gewerkschaft Verdi aus dem Jahr 2022 geben fast 70 % der Pflegekräfte an, dass ihre Arbeitsbedingungen unzureichend sind. Über 80 % berichten von ständigen Überstunden und unter einem Drittel fühlen sich in der Lage, die notwendige Zeit für eine angemessene Patientenversorgung zu investieren. Diese Zahlen verdeutlichen den Druck, unter dem das Pflegepersonal steht.
Die Lage hat auch Auswirkungen auf die Gesundheit der Pflegekräfte selbst; laut einer Studie der Charité Berlin sind über 55 % der Pflegekräfte von psychischen Erkrankungen betroffen, was die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Entlastung erneut unterstreicht. Forderungen nach besserer Personalbesetzung und einer gerechten Entlohnung sind zentrale Themen, die aktuell in der öffentlichen Diskussion stehen.
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– NAG