Im Schauspiel Hannover wird derzeit ein bemerkenswerter Theaterabend präsentiert, der auf dem berühmten Roman „Das kunstseidene Mädchen“ von Irmgard Keun basiert. Diese Inszenierung, die von der Regisseurin Luise Voigt verantwortet wird, erweckt die Geschichte einer jungen Frau, die sich in der pulsierenden Metropole Berlin der 1930er Jahre zurechtfinden muss, zu neuem Leben.
Ursprünglich 1932 veröffentlicht, thematisiert der Roman die Herausforderungen einer Frau im urbanen Umfeld, die in einer von Männern dominierten Welt ihren Platz sucht. Die Hauptfigur Doris, gespielt von vier talentierten Schauspielerinnen, wird durch ihre Weigerung, die Avancen ihres Chefs anzunehmen, arbeitslos und begibt sich auf die Suche nach einem neuen Leben im Theater. Ihre Erlebnisse sind durchzogen von Intrigen, Sehnsüchten und der ständigen Suche nach einer eigenen Identität, während sie zwischen unterschiedlichen Männern pendelt und versucht, sich in der aufregenden, aber gefährlichen Stadt Berlin zu behaupten.
Die Inszenierung im Detail
Bühne und Kostüme stammen von Maria Strauch und schaffen eine visuelle Kulisse, die sowohl die Rückständigkeit der damaligen Gesellschaft als auch den Glanz der Großstadt zum Ausdruck bringt. Die Schauspielerinnen, darunter Florence Adjidome, Tabitha Frehner, Amelle Schwerk und Moné Sharifi, überzeugen durch ihre schauspielerische Leistung und verkörpern mit wechselnden Textpassagen die verschiedenen Facetten von Doris’ Leben. Diese Darstellungen werden von faszinierenden Live-Kamerabildern und Live-Musik begleitet, die die Atmosphäre der erdrückenden Stadt verstärken.
In der Inszenierung von Luise Voigt wird das Publikum in das hektische Treiben Berlins hineinversetzt. Die musikalische Untermalung, geschaffen von Friederike Bernhardt, umfasst jazzige Klänge, die die Energie der Zeit lebendig werden lassen. Besonders eindrucksvoll ist die Kombination aus Theater und Film, da die Live-Kameras emotionale Momente in beeindruckende Schwarzweißcollagen umwandeln, die auf einer großen Gaze projiziert werden. Diese kreative Entscheidung erzeugt einen nahezu filmischen Eindruck, der es dem Zuschauer schwer macht, die Darbietung von der Filmkunst zu unterscheiden.
Zu den kostümierten Darstellungen und der lebhaften Musik gesellen sich kreative Elementen wie schillernde Wimpern, raffinierte Frisuren und modische Hosenröcke, die das Bild der stilbewussten, modernen Frau der 1930er Jahre abrunden. Das Zusammenspiel der Darstellerinnen und die bildästhetischen Entscheidungen von Voigt zielen darauf ab, die Energie und das Verlangen jener Zeit zu vermitteln, während gleichzeitig die bedrohlichen Untertöne des Überlebens und des Mangels an Selbstbestimmung thematisiert werden.
Ästhetische und emotionale Herausforderungen
Obwohl die Präsentation visuell beeindruckend ist, wird das emotionale Gewicht der Geschichte in einigen Momenten möglicherweise nicht vollständig vermittelt. Der Theaterabend verströmt eine stilisierte Ästhetik, die zwar beeindruckt, jedoch die titelgebende „Fassade“ abbildet, die Doris im Laufe ihrer Geschichte zu tragen hat. Voigt kommentiert mit ihrer Regie die Kluft zwischen dem äußeren Anschein und der inneren Verzweiflung, die junge Frauen ihrer Zeit empfinden mussten.
Die Premiere fand am 21. September 2024 statt, und die Inszenierung zeigt sich in einer Laufzeit von etwa 2 Stunden und 20 Minuten inklusive einer Pause. „Das kunstseidene Mädchen“ ist ein eindrucksvolles Zeugnis der Zeit und eine dazu passende ästhetische Reinterpretation eines Klassikers, der heute wie damals für viele junge Frauen von Bedeutung sein dürfte. Meisten Zielen die Szenen und der Umgang mit der Kamera in Richtung einer Erzählweise, die eher einem Film ähnelt, was die Frage aufwirft, ob das Ziel dieser Umsetzung ist, die Zuschauer emotional zu berühren oder einfach nur beeindruckende Bilder zu schaffen.
Für mehr Informationen über das Stück und die Inszenierung besuchen Sie bitte die Website des Staatstheater Hannover.