Im Herzen von Göttingen fand am vergangenen Samstag eine eindrucksvolle Premiere statt: Das Internatsstück „Törless“, das auf Robert Musils ikonischem Roman „Die Verwirrung des Zöglings Törless“ basiert, wurde am Deutschen Theater uraufgeführt. Unter der Regie von Janis Knorr erleben die Zuschauer eine fesselnde Inszenierung, die sich eingehend mit den Themen Macht und Ohnmacht beschäftigt.
Die Handlung entfaltet sich dramatatisch um den Charakter Basini, gespielt von Leonard Wilhelm, der sich in einen Strudel von Machtspielen und Erniedrigung verwickelt. Um im Internat akzeptiert zu werden, stiehlt Basini Geld, um sein vermeintlich überdurchschnittliches Leben aufrechtzuerhalten. Trotz seiner Bemühungen wird er schnell von seinen Mitschülern, insbesondere von Reiting, der ihn ertappt, zum Ziel erniedrigender Machenschaften gemacht.
Ein Spiel mit der Macht
Daniel Mühe schlüpft in die Rolle des machthungrigen Reitings, der sichtlich Freude daran hat, Basini zu mobben und zu erniedrigen. Die Inszenierung zeigt auf eindringliche Weise, wie Machtspiele im Jugendmilieu stattfinden können. Reiting orchestriert eine grausame Bestrafung, die mit verbalen Demütigungen beginnt und schlussendlich Basinis komplette Unterwerfung fordert, bis er schließlich zu einem Sexsklaven gemacht wird.
Ein weiterer Charakter, Beineberg, dargestellt von Stella Maria Köb, scheint gleichsam ein Spielball des Geschehens zu sein, in dem er sich von Reitang beeinflussen lässt. Während dieser sich mit einer türkisen Schürze kleidet, nimmt Beineberg aktiv an den grausamen „Experimenten“ teil, die Basini auferlegt werden. Diese psychologischen Manipulationen werden im Theater spürbar und ziehen das Publikum in ihren Bann.
Die Suche nach Sinn
Der Zuschauer wird auch mit Törless, gespielt von Lou von Gündell, vertraut gemacht. Törless ist derjenige, der die Geschehnisse kritisch hinterfragt, gleichzeitig aber auch in die Dynamiken der Gruppe eintaucht. Seine analytische Perspektive lässt ihn von den anderen abheben, während er den inneren Konflikt zwischen Mitmachen und Distanz wählt. Diese Facette führt das Publikum vor Augen, wie Macht nicht nur aus der Beziehung zwischen Tätern und Opfern entsteht, sondern auch durch die passive Zustimmung der Umstehenden.
Die Bühnenbilder, entworfen von Birgit Leitzinger, unterstützen diese dramatische Auseinandersetzung. Der Turm mit seinen schwindelerregenden Treppen und Nischen schafft eine eindringliche Kulisse, die den Druck und die Enge des Internatslebens symbolisiert. Auch der Waschraum, in dem die Schüler eine Prostituierte besuchen, verdeutlicht die moralische Abgrenzung und den Verlust von Menschlichkeit, die im Spiel um Macht stattfinden.
Die musikalische Untermalung, eine Mischung aus modernen Klängen und nostalgischen Melodien, trägt dazu bei, die Spannung zu intensivieren. Kommende Monate wird das Stück erneut am 25. September sowie am 11. und 13. Oktober aufgeführt; die Verpflichtung des Publikums ist vorprogrammiert.
Der fesselnde Auftritt gipfelt schließlich in starkbegeistertem Applaus von etwa 250 Zuschauern, die sich von der Darbietung mitreißen ließen. „Törless“ fordert nicht nur eine Auseinandersetzung mit der Frage nach persönlicher Macht, sondern spiegelt auch universelle menschliche Konflikte wider. Das Theaterstück bietet somit nicht nur Unterhaltung, sondern regt auch zur Reflexion über die dunklen Seiten des menschlichen Verhaltens an, eine Thematik, die weiterhin relevant bleibt. Der Bericht mit weiteren Informationen zur Aufführung ist auf www.hna.de zu finden.