
Forschende der Universität Göttingen haben bemerkenswerte Fortschritte in der Herzmedizin erzielt, indem sie Künstliche Intelligenz (KI) zur Analyse von Elektrokardiogrammen (EKGs) einsetzen. Philip Hempel und sein Team aus der Arbeitsgruppe „Biosignalverarbeitung“ veröffentlichten ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift „npj Digital Medicine“. Ihr Ziel ist es, das individuelle “Herzalter” zu bestimmen und damit Herz-Kreislauf-Erkrankungen effektiver zu identifizieren.
Traditionell erfolgen Diagnosen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch die Analyse von Laborparametern, Blutdruck und Lebensstilfaktoren. EKGs, die die elektrische Aktivität des Herzens messen, bieten jedoch wertvolle Hinweise auf akute und chronische Herzerkrankungen sowie altersbedingte Veränderungen. Die Forschung zeigt insbesondere, dass zwei Faktoren das “Herzalter” beeinflussen: die Hypertrophie der Herzkammern durch steifere Blutgefäße und die Vermehrung von Bindegewebe im Herzen.
Künstliche Intelligenz als diagnostisches Hilfsmittel
Durch die Analyse von EKG-Daten über einen längeren Zeitraum können subtile Veränderungen in der Herzstruktur und -funktion erkannt werden. Hierbei kommt ein KI-Analysesystem zum Einsatz, das mit EKG-Daten von brasilianischen Patienten trainiert wurde. Diese Daten wurden ergänzt durch EKG-Ergebnisse von Teilnehmern der deutschen „Pomeriana“-Gesundheitsstudie, die mehr als 15.000 Personen im Alter von 20 bis 79 Jahren umfasst.
Ein zentrales Ergebnis der Studie zeigt, dass das KI-System dazu in der Lage ist, Personen mit einem um 1,63-fach erhöhten Sterberisiko zu identifizieren, die mit einer beschleunigten Herzalterung assoziiert sind. Insbesondere Patienten, deren EKG-Alter mehr als acht Jahre über ihrem tatsächlichen Alter lag, hatten ein signifikant höheres Risiko für Mortalität oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Im Gegensatz dazu wiesen Patienten mit einem EKG-Alter, das mindestens acht Jahre unter ihrem chronologischen Alter lag, ein geringeres Risiko auf.
Der aktuelle Stand der KI in der Medizin
Die Anwendung von Künstlicher Intelligenz in der Medizin wird als revolutionär betrachtet. Laut herzmedizin.de führt Prof. David Duncker, Leiter des Hannover Herzrhythmus Centrums, aus, dass KI nicht nur die Diagnostik verändern wird, sondern auch eine erhebliche Entlastung für Ärztinnen und Ärzte bietet. Neben der EKG-Analyse kann KI auch bei der automatischen Analyse bildgebender Verfahren, wie Ultraschall und MRT, eingesetzt werden.
Aktuell ist der Einsatz von KI in der Medizin häufig auf Studien und Testläufe beschränkt, da Produkte mit KI erst wissenschaftlich geprüft werden müssen. Dennoch gibt es bereits erste Anwendungen, die in der Praxis verfügbar sind. KI hat das Potenzial, die Arztarbeit durch schnelle Auswertung von Patientendaten und die Erkennung von Mustern sowie Unregelmäßigkeiten maßgeblich zu erleichtern.
In der Kardiologie zeigt sich besonders, dass KI Unterstützung bei der Diagnose und Analyse von EKGs leistet. Zudem kann sie effektive Entscheidungen treffen, beispielsweise bei der Erkennung von Herzinfarkten, und ermöglicht kontinuierliches Monitoring in der Telemedizin, indem Fehlalarme gefiltert werden.
Diese Entwicklungen verdeutlichen, wie KI zunehmend in die Herzmedizin integriert wird, um eine frühzeitige Identifikation von Risikopatienten zu ermöglichen und letztlich die Behandlungsergebnisse zu verbessern.
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