Die Kreishandwerkerschaft Oldenburg hat eine bemerkenswerte Initiative ins Leben gerufen, die das Handwerk in neuem Licht präsentiert. Ziel der Kampagne „Ab(i) ins Handwerk“ ist es, junge Abiturienten zu ermutigen, eine handwerkliche Ausbildung zu wählen, anstatt den traditionellen Weg eines Studiums einzuschlagen. Dies gewinnt an Bedeutung, da immer mehr Jugendliche sich wegen gesellschaftlicher Erwartungshaltungen gegen das Handwerk entscheiden.
In Deutschland besuchen mittlerweile etwa 43,6 % der Schüler den gymnasialen Schulzweig. Dieser Anstieg könnte als Fortschritt gesehen werden, stellt jedoch für das Handwerk eine Herausforderung dar. Die Ergebnisse der PISA-Studie zeigen, dass die Betreuung im Bereich der praktischen Berufe nach wie vor unzureichend ist. Die Kreishandwerkerschaft Oldenburg reagiert mit dieser Aktion proaktiv auf das Problem, um Klischees abzubauen und neue Perspektiven zu eröffnen.
Die Gesichter der Kampagne
Die Kreishandwerkerschaft hat sieben talentierte junge Menschen ausgewählt, die in ganz unterschiedlichen Handwerksberufen tätig sind. Diese jungen Talente – Anna, Bengt, Marcel, Jan, Anna, Florian und Michel – teilen in unterhaltsamen Videos auf Social Media ihre Erfahrungen. Diese Clips zeigen nicht nur ihren Alltag im Handwerk, sondern auch die Beweggründe für ihre Entscheidungen. Sie setzen sich gegen das gesellschaftliche Vorurteil zur Wehr, wonach ein Abiturient nicht im Handwerk tätig sein sollte. Ihre Botschaft ist klar: Für die eigenen Interessen einzustehen, lohnt sich immer.
Boris Jersch, Kreishandwerksmeister in Oldenburg, erklärt: „Wir möchten niemanden bekehren, aber wenn wir mit diesem Projekt einige junge Menschen ermutigen können, ihrer Leidenschaft zu folgen und ihnen damit Umwege ersparen, haben wir viel erreicht.“ Dies zeigt, dass die Handwerkskammer nicht nur auf die Zahlen schaut, sondern auch die individuellen Potentiale der Jugendlichen fördern möchte.
Die Diskrepanz zwischen Berufswahl und gesellschaftlicher Erwartung
Die Entscheidung für eine handwerkliche Ausbildung stellt für viele Absolventen eine Abweichung von der Norm dar. Oftmals werden sie mit der Frage konfrontiert: „Warum gehst du mit Abitur ins Handwerk und nicht studieren?“ Diese Erwartungshaltung ist nicht nur belastend, sondern auch hinderlich für viele, die sich eine Praxisorientierte Ausbildung wünschen. Umso wichtiger ist es, dass solche Themen in der Öffentlichkeit diskutiert werden.
Ricus Dirks, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit bei der Kreishandwerkerschaft, hebt hervor, dass die veralteten Denkmuster aufgebrochen werden müssen. „Darf das Handwerk jungen Menschen Vorwürfe machen, weil sie den bestmöglichen Schulabschluss anstreben? Ich denke nicht,“ betont er und appelliert an die Branche, Handwerksberufe attraktiver zu gestalten.
Die Kampagne soll nicht nur die Wahrnehmung des Handwerks verändern, sondern auch die Überzeugung stärken, dass jeder Schulabschluss wertvoll ist. „Jeder, der Interesse und Motivation für handwerkliche Arbeit mitbringt, ist bei uns herzlich willkommen,“ fügt Jersch hinzu. Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass das Handwerk nicht nur eine Vielfalt an Ausbildungsberufen bietet, sondern auch große Karrieremöglichkeiten eröffnet.
Die digitalen Medien spielen eine entscheidende Rolle in dieser Kampagne. Die bereits über 35.000 Aufrufe der Videos verdeutlichen das Interesse der Öffentlichkeit an den authentischen Geschichten junger Handwerker. Diese Medienplattformen sind somit nicht nur für die Präsentation von Berufen wichtig, sondern auch für die Ermutigung der nächsten Generation. Somit wird der Dialog über die verschiedenen Berufsmöglichkeiten im Handwerk maßgeblich gefördert.
Ein Blick in die Zukunft
Die Kreishandwerkerschaft Oldenburg plant bereits eine zweite Staffel der Kampagne. „Es fehlen noch viele Berufe, die wir in der Öffentlichkeit präsentieren möchten,“ erklärt Dirks und zeigt sich optimistisch. Angesichts der Nachfrage ist dies ein vielversprechender Schritt, um weiterhin ein bewusstes Bewusstsein für die Bedeutung des Handwerks in der heutigen Gesellschaft zu schaffen.
Die kommenden Monate könnten entscheidend dafür sein, wie sich die Einstellung junger Menschen gegenüber handwerklichen Berufen verändert. Durch authentische Berichte und den direkten Austausch auf Social Media könnte der Trend, der aktuell noch zu einer Abkehr vom Handwerk führt, umgekehrt werden.
Eine einzigartige Kampagne der Kreishandwerkerschaft Oldenburg will junge Menschen motivieren, trotz Abitur eine Ausbildung im Handwerk zu machen und stellt 7 junge Talente vor, die diesen Weg gewählt haben.
Inzwischen besucht fast die Hälfte aller deutschen Schülerinnen und Schüler dengymnasialen Schulzweig1. Was nach Bildungsfortschritt klingt, stellt sich in der PISA-Studie leider anders dar und ist für das Handwerk zum Problem geworden: Der Nachwuchs bleibt nicht mehr nur wegen des demographischen Wandels, sondern immer häufiger auch aufgrund der mit diesem Abschluss verknüpften gesellschaftlichen Erwartungshaltung aus. Die deutschlandweit einzigartige Kampagne „Ab(i) ins Handwerk“ der Kreishandwerkerschaft Oldenburg und ihren angeschlossenen Innungen setzt genau dort an, um Klischees zu entkräften.
Mit Abi ins Handwerk? Üblich ist das noch lange nicht
„Warum geht man denn mit Abitur ins Handwerk und nicht studieren?“ – solche oder so ähnliche Vorwürfe haben sich Anna, Bengt, Marcel, Jan, Anna, Florian und Michel schon anhören müssen. Auch wenn Sie in ganz unterschiedlichen Berufen arbeiten, haben die sieben jungen Talente etwas gemeinsam: Sie alle ich haben sich dazu entschieden, mit einem (Fach-)Abitur eine handwerkliche Ausbildung zu absolvieren und sind nun Teil der Kampagne „Ab(i) ins Handwerk“.
In kurzweiligen Hochformatvideos auf TikTok, Instagram und Co. zeigen sie ihren Arbeitsalltag und erklären authentisch, warum diese Karriereentscheidung für sie richtig war. Eines wird dabei ganz schnell deutlich: Für die eigenen Interessen einzustehen und sich dabei auch gegen gesellschaftliche oder gar elterliche Vorurteile durchzusetzen, lohnt sich letzten Endes immer.
Berufswahl vs. Erwartungshaltung
Für die meisten Teilnehmer/-innen von „Ab(i) ins Handwerk“ war die handwerkliche Ausbildung nicht der erste eingeschlagene Weg. Hinter den Kurzvideos steckt daher auch ein ernstes Thema: Kein anderer Schulabschluss ist so eng mit einer Erwartungshaltung verknüpft, wie das Abitur. Sich trotz gymnasialer Schullaufbahn erstmal für eine Ausbildung und gegen ein Studium zu entscheiden, ist – vor allem wenn es um Handwerk geht – oft verpönt.
„Nur weil die Quote derjenigen steigt, die das Gymnasium besuchen, heißt das nicht, dass wir auch mehr junge Menschen haben, für die ein theorielastiges Studium das Richtige ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass es eine Menge junger Menschen gibt, denen unsere praxisorientierte Arbeits- und Denkweise besser liegen würde.“, erklärt der Oldenburger Kreishandwerksmeister Boris Jersch.
„Wir möchten niemanden bekehren, aber wenn wir es mit diesem Projekt schaffen ein paar jungen Menschen zu ermutigen, ihre Interessen zu verfolgen und ihnen damit Umwege erspart bleiben, haben wir viel geschafft,“ ergänzt er weiter.
Warum sich das Handwerk anpassen muss
Auch wenn der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die in 2022/23 in Niedersachsen den gymnasialen Schulzweig besuchten, laut statistischem Bundesamt bei 43,6 % lag1, ist es zu einfach, Nachwuchssorgen im Handwerk allein darauf und auf den demographischen Wandel zu schieben.
„Darf das Handwerk jungen Menschen Vorwürfe machen, weil sie den bestmöglichen Schulabschluss erlangen wollen? Ich denke nicht. Viel eher sollten wir daran arbeiten, Handwerksberufe auch für diese Zielgruppe attraktiver zu machen und mit Kommunikation Barrieren abbauen. Genau dort setzt Ab(i) ins Handwerk an und weicht Denkmuster auf,“ erklärt Ricus Dirks, Mitarbeiter für Öffentlichkeitsarbeit und digitale Medien bei der Kreishandwerkerschaft und verantwortlich für die Umsetzung des Projekts.
Motivation vs. Abschluss
„Zu betonen ist, dass nach wie vor alle Schulabschlüsse willkommen sind. Wir können jeden gebrauchen, der großes Interesse und Motivation für handwerkliche Arbeit mitbringt“, so Boris Jersch. Die Karrieremöglichkeiten im Handwerk sind unabhängig vom Bildungsabschluss ausgezeichnet. Eine handwerkliche Ausbildung kann ein Sprungbrett in ganz verschiedene Richtungen sein. Viele Handwerksberufe sind durch die Digitalisierung und Energiewende außerdem sehr anspruchsvoll und komplex geworden. Die Elektro- und Kfz-Berufe oder der Anlagenmechaniker SHK sind dafür gängige Beispiele.
Nicht zu vernachlässigen: Handwerksberufe machen glücklich. Laut einer Umfrage der Versicherungsgesellschaft IKK classic aus 2022 sagten fast 80 % aller deutschen Handwerkerinnen und Handwerker, dass Sie glücklich mit ihrem Beruf sind. Zum Vergleich: Auf die gesamte arbeitende Bevölkerung bezogen, teilten nur 55,3 % diese Ansicht2.
2. Staffel „Ab(i) ins Handwerk“ geplant
Kreishandwerkerschaft Oldenburg
Sieben junge Talente, sieben Handwerksberufe eine Gemeinsamkeit: Sie alle sind Teil des Projektes Ab(i) ins Handwerk und berichten in den sozialen Medien über ihre Erfahrungen.
Glaubwürdige Aussagen, echte Arbeiten und authentische Persönlichkeiten stehen im Fokus von Ab(i) ins Handwerk – kein Wunder, denn genau das kommt auf Social Media gut an. „Gescriptete Drehtage und vorbereitete Interviews waren für mich nie eine Option“, erklärt Ricus Dirks, der das Projekt entwickelt und umgesetzt hat. „Ich habe allen in Frage kommenden Kandidatinnen und Kandidaten das Projekt erklärt und im Anschluss jeweils einen regulären Arbeitstag als Drehtag vereinbart. Alles was in den Videos passiert und gesagt wird, ist authentisch – niemandem wurde etwas in den Mund gelegt.“
🎙️ Podcast ➡️ Vernetzte Handwerkskunst: Aufstieg durch Social Media mit Michael Schwarzkugler und Roman Liebl
Das Konzept kommt an: Die Beiträge wurden inzwischen über 35 000 mal angeschaut. „Eine zweite Staffel wird es sicherlich geben – es fehlen ja noch einige Berufe ergänzt der Mitarbeiter der Kreishandwerkerschaft Oldenburg. ■Quelle: SHK Oldenburg / ml
Hintergrund der Handwerksausbildung
Die handwerkliche Ausbildung in Deutschland hat eine lange Tradition und ist ein fundamentaler Bestandteil des dualen Ausbildungssystems. Dieses System spiegelt sich in der Schaffung von Ausbildungsplätzen wider, die in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) angeboten werden. Laut dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) sind die dualen Ausbildungsgänge wertvoll, da sie theoretisches Wissen mit praktischer Erfahrung kombinieren, was den jungen Menschen einen optimalen Start in das Berufsleben ermöglicht.
Die Herausforderungen in der Branche werden jedoch zunehmend komplexer, insbesondere durch digitale Transformation und den Fachkräftemangel. Gemäß einer Studie von Bild der Wissenschaft wechselt die Branche von traditionell handwerklichen Verfahren zu einem stärker technologiegestützten Ansatz, was die Anforderungen an zukünftige Auszubildende verändert.
Statistische Einblicke
Eine aktuelle Umfrage im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zeigt, dass 39 % der jungen Menschen zwischen 14 und 29 Jahren eine Karriere im Handwerk als attraktiv erachten. Diese Zahl belegt einen positiven Trend im Vergleich zu früheren Jahren, als handwerkliche Berufe oft als weniger erstrebenswert galten. Zudem haben laut dem DGB 72 % der Befragten angegeben, dass sie Bau- und Handwerksberufen eine breite Palette an Karrieremöglichkeiten zuschreiben. Diese zunehmende Attraktivität könnte auf Kampagnen wie „Ab(i) ins Handwerk“ zurückzuführen sein, die die Sichtbarkeit der verschiedenen Berufe erhöhen und das Handwerk als zukunftssicheren Karriereweg positionieren.
– NAG