Marion Rudloff, eine Frau, die in der DDR geboren wurde, hat in ihrem Leben tiefgreifende Erfahrungen gemacht, die sie dazu bringen, über die negativen Auswirkungen ihrer frühkindlichen Betreuung in einer Wochenkrippe nachzudenken. Trotz der Herausforderungen, die sie durch die Trennung von ihren Eltern in der sensiblen Zeit ihrer frühen Kindheit erlebte, sorgt Marion dafür, dass ihre eigenen Kinder nicht unter ähnlichen Erfahrungen leiden müssen.
1964 in Anklam geboren, verbrachte sie die ersten Lebensjahre in einer kommunalen Wochenkrippe, während ihre Mutter im Theater arbeitete und ihr Vater viel unterwegs war. „Es war kein Geheimnis, dass ich in der Wochenkrippe abgegeben wurde“, erzählt sie und reflektiert darüber, wie weit verbreitet diese Praxis in der damaligen Zeit war. Viele Eltern fühlten sich gezwungen, ihre Kinder abzugeben, oft aufgrund beruflicher Verpflichtungen oder weil sie alleinerziehend waren. Diese Umstände brachten Marion jedoch nicht nur physische, sondern auch psychische Probleme.
Die Realität der Wochenkrippen
Unter den Bedingungen der Wochenkrippen, in denen die Kinder unter meist unzureichenden Betreuungskapazitäten lebten, stellte Marion fest, dass es oft an der nötigen Zuwendung mangelte. In dieser Zeit wurde eine Erzieherin für vier bis fünf Kinder zuständig, und nachts mussten sie sich um bis zu 30 Kinder kümmern. „Bereits in den 1960ern zeigten Studien, dass Kinder in diesen Einrichtungen oft krank waren und langsamer lernten“, erklärt sie weiter und merkt an, dass die negativen Folgen dieser Art der Betreuung lange ignoriert wurden.
Marion ist sich bewusst, dass viele Menschen, die in diesen Wochenkrippen waren, heutzutage kämpfen, um die Auswirkungen dieser frühkindlichen Erfahrungen zu verarbeiten. „Ich hatte keine Streitkultur, ich war hölzern, verschlossen und auf meinen Mann fixiert“, sagt sie und gibt zu, dass ihre Ehe unter den Folgen ihres „vorsprachlichen Traumas“ litt. Trotz ihrer Schwierigkeiten suchte Marion später Hilfe und fand sie in einer Selbsthilfegruppe in Berlin, wo das Teilen ihrer Erfahrungen wie eine Therapie für sie war.
„Da saßen zehn Leute und erzählten. Ich dachte immer: Genauso ist es bei mir! Für mich war das erste Treffen wie 20 Jahre Therapie“, beschreibt sie die Erleichterung, Arbeit, die in den Therapiestunden oft nicht behandelt wurde, endlich ansprechen zu können.7373
Die Gründung des Vereins „Wochenkinder e.V.“ war ein entscheidender Schritt für Marion, um die Vergangenheit in die Öffentlichkeit zu bringen. Mit anderen Betroffenen arbeitet sie daran, das Bewusstsein für die Probleme der Wochenkrippen zu schärfen und solche Formen der Betreuung, wie beispielsweise 24-Stunden-Kitas, zu verhindern. „Ich möchte kein schlechtes Gewissen schaffen, aber es ist entscheidend, dass Kinder in einer liebevollen und geborgenen Umgebung aufwachsen“, betont sie.
Die Wochenkrippe, in der Marion aufwuchs, existiert heute nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form. An ihrer Stelle gibt es nun eine integrative Wohngruppe, ein Schritt, den sie als positiv empfindet. Damit soll verhindert werden, dass zukünftige Generationen ähnliche Erfahrungen machen müssen. „Wochenkrippen soll es nicht mehr geben. Das ist kein Luxus, sondern ein Grundbedürfnis“, sagt Marion eindringlich.
Ein Leben im Schatten der Vergangenheit
Das Trauma, das viele Wochenkinder erlitten haben, wird oft nicht ausreichend thematisiert. Obwohl die Thematik von Marion und ihren Mitstreitern mehr und mehr in den Fokus rückt, gibt es immer noch viel zu tun, um die Aufarbeitung voranzutreiben. „Mir ist wichtig, dass wir über die Vergangenheit sprechen und die notwendigen Schritte für eine ausgewogene Betreuung von Kindern unternehmen“, sagt sie. Marion betont, dass es eine wichtige gesellschaftliche Verantwortung gibt, die Bedürfnisse von Kindern zu erkennen und zu respektieren, um sie in einer gesunden Umgebung aufwachsen zu lassen.
Neben ihrer Tätigkeit im Verein setzt sie sich auch dafür ein, die Öffentlichkeit über die Geschichten der ehemaligen Wochenkinder zu informieren. „Immer wieder denke ich an die Kinder, die in diesen Krippen betreut wurden. Was muss in ihrem Leben verloren gegangen sein? Wie viel Not und Angst lag in ihrem Geschrei?“, fragt Marion mit sichtbarem Schmerz in der Stimme.
Marion Rudloff ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie ein Mensch trotz schwerer Kindheitserfahrungen Wege finden kann, um die eigene Vergangenheit zu bewältigen und sich für eine bessere Zukunft einzusetzen. Ihre Stimme wird gehört, und sie kämpft weiterhin für die Rechte der Kinder, damit diese nicht das gleiche Schicksal erleiden müssen, das sie durchlebte. Die Erinnerungen an ihre eigene Kindheit begleiten sie täglich, doch sie nutzt diese Erfahrung, um in der Gegenwart aktiv zu werden und Veränderungen herbeizuführen. Mehr Informationen über die Ergebnisse der Selbsthilfegruppen und ihre Arbeit werden auch in der Zukunft wichtig sein, um einen dauerhaften Wandel zu erreichen.