Der Karstweißling, eine Schmetterlingsart aus dem Mittelmeerraum, hat eine bemerkenswerte Ausbreitung über die Alpen vollzogen und sich mittlerweile umfassend in Europa etabliert. Bis vor einigen Jahren war diese Art besonders in der Schweiz nur in kleinen Populationen im Wallis und im Tessin zu finden. Seit etwa 2005 hat der Karstweißling jedoch seine Reise Richtung Norden und Osten begonnen, sichtbare Nachweise gibt es mittlerweile sogar an der Nordsee, in Tschechien und Polen. In Mecklenburg-Vorpommern wurde die Art erstmals im Jahr 2020 dokumentiert, berichtet www.uni-greifswald.de.
Die genetische Vielfalt des Karstweißlings hat sich jedoch während dieser Ausbreitung erheblich verringert. Dr. Daniel Berner, Zoologe und Studienleiter an der Universität Basel, wies darauf hin, dass die Invasion des Schmetterlings mit einer genetischen Homogenisierung der Arten einhergeht. Gemeinsam mit einem Team von Forschenden aus Basel, Greifswald und dem Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut untersuchte er, wie sich die Veränderungen auf die genetische Zusammensetzung der lokalen Populationen auswirkten. Ein Vergleich mit Museumsobjekten zeigte, dass ein Großteil des ursprünglichen Erbguts durch das der neuen Population ersetzt wurde.
Einblicke in die Forschung
Für die Studienautor*innen war es entscheidend, die Erbgutdaten von frischen Beständen mit denen von über Jahrzehnten gesammelten Museumsobjekten zu vergleichen. „Ohne diese historischen Referenzen hätten wir die genetische Veränderung möglicherweise nicht feststellen können“, erklärte Berner. Die Forschungsarbeit wurde durch die umfangreiche Sammlung des bekannten Schweizer Schmetterlingskundlers Heiner Ziegler unterstützt, der über Jahre hinweg Daten und Proben dieses Schmetterlings gesammelt hatte.
Ein weiterer Faktor, der zur schnellen Ausbreitung des Karstweißlings beiträgt, ist die Urbanisierung. Durch die Entwicklung städtischer Gebiete entstehen neue Lebensräume, in denen der Schmetterling ideale Bedingungen findet. Diese Art fliegt in der Regel nicht weit und bleibt in der Nähe ihrer Nahrungsquelle, die hauptsächlich aus Rucola und Bauernsenf besteht, Pflanzen, die auch in städtischen Gärten häufig anzutreffen sind.
Besonders bemerkenswert ist, dass der Karstweißling sich in fünf bis sechs Generationen pro Jahr fortpflanzen kann. Dies ermöglicht es, rasch große Populationen in neu besiedelten Gebieten zu bilden und unterstützt seine Ausbreitung über weite Strecken. Es wird von den Forschenden angenommen, dass diese Art weiterhin expandieren wird, solange ihre Nahrungsquellen vorhanden sind.
Die zweischneidige Ausbreitung
Die Ausbreitung des Karstweißlings ist aus Naturschutzsicht ambivalent. Obwohl die Art in neu besiedelten Gebieten teilweise die Lebensräume des Menschen nutzt und keine direkte Konkurrenz mit einheimischen Schmetterlingen zu erwarten ist, geht mit dem Verlust der genetischen Vielfalt ein ernstes Problem einher. „Es ist ein beunruhigender Trend, dass die ursprüngliche genetische Vielfalt gefährdet ist, während die Art insgesamt an Anzahl zunimmt“, bemerkt Berner.
Obwohl gegenwärtig keine signifikanten genetischen Veränderungen innerhalb der expandierenden Population festgestellt wurden und der Klimawandel vermutlich keine Rolle in ihrer Ausbreitung spielt, gibt es noch viele unbeantwortete Fragen bezüglich des genauen Ursprungs und der Treiber dieser Invasion. Berner und sein Team planen, diese Aspekte weiter zu erforschen, um ein tieferes Verständnis für die Dynamiken des Karstweißlings zu gewinnen.
Die grundlegenden Erkenntnisse und die Bedeutung der Studie sind in der Veröffentlichung im Fachjournal „Current Biology“ zu finden. Diese bietet einen umfassenden Blick auf die genetische Homogenisierung und die Auswirkungen der Urbanisierung auf eine Art, die einst weitgehend ortsfremd war. In Anbetracht der aktuellen Dynamiken ist es von entscheidender Wichtigkeit, die Veränderungen in der genetischen Zusammensetzung und deren langfristige Folgen für die Biodiversität zu beachten.