Der Deutsche Evangelische Kirchentag (DEKT), der 1949 in Hannover ins Leben gerufen wurde, feiert am kommenden Wochenende seinen 75. Geburtstag in Greifswald. Diese bedeutsame Veranstaltung, die alle zwei Jahre stattfindet, ist für viele evangelische Christen ein fester Bestandteil ihres Kalenders. Der Kirchentag versteht sich als Schnittstelle zwischen Kirche und Welt und möchte eine „Zeitansage“ sein, die den Dialog fördert und neue Impulse gibt. Angesichts rückläufiger Teilnehmerzahlen steht die Veranstaltung jedoch vor der Herausforderung, ihre zukünftige Bedeutung zu definieren.
„Kirchentag ist kein Auslaufmodell“, betont Thomas K. Kuhn, Kirchenhistoriker aus Greifswald. Trotz einer gewissen Verkleinerung betrachtet er den Kirchentag als notwendig, insbesondere für Menschen, die sich mit ihrer Kirchengemeinde nicht verbunden fühlen oder diese als provinziell empfinden. Kristin Jahn, die Generalsekretärin des DEKT, stimmt ihm zu und hebt hervor, dass der Kirchentag als Plattform fungieren sollte, um engagierte Menschen hervorzuheben und neue Ideen zu lancieren.
Der Kirchentag im Kontext der politischen Landschaft
Im weiteren Verlauf des Kirchentags wird das Thema „Wie leben wir denn weiter in diesem Land?“ diskutiert, insbesondere im Hinblick auf den Aufstieg der AfD in Thüringen und Sachsen. Jahn erklärt, dass der Kirchentag eine Diskursplattform bietet, um diese Herausforderungen aufzugreifen. Es sei notwendig, den Dialog zu suchen und offen für alle Teilnehmer zu sein, jedoch ohne extremistische oder menschenverachtende Meinungen zu fördern.
Die Wurzeln des Kirchentags liegen im Wunsch, die evangelische Laienbewegung zu stärken, nachdem die Amtskirche im Zweiten Weltkrieg versagt hatte, gegen den Nationalsozialismus zu opponieren. Die Gründungsgeneration wollte, dass die Stimme der Laien stärkeren Gehör findet. In der Rückschau habe der Kirchentag historisch oft eine westdeutsche Tradition in den Vordergrund gestellt, was die Aktivitäten in der DDR betreffen, die häufig unterrepräsentiert waren.
Feierlichkeiten und Programm in Greifswald
Die Feierlichkeiten beginnen mit einem Gottesdienst am Freitagabend im Dom St. Nikolai. Unter den besonderen Veranstaltungen wird die „Nacht der Lichter“ herausragend sein, bei der der Marktplatz in Greifswald erleuchtet wird. Zu den Höhepunkten des Festprogramms am Samstag zählt der Auftritt des Liedermachers Gerhard Schöne, sowie bedeutende Gäste, darunter Oksana Schorlemmer, die ukrainischen Geflüchteten in Deutschland hilft, und Bischof Friedrich Kramer, Friedensbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland. Beim Abschlussgottesdienst wird Kristin Jahn die Predigt halten.
Die Relevanz des Kirchentags liegt nicht nur in seiner langen Geschichte, sondern auch in seinem Potenzial als gesellschaftlicher Einfluss. Kuhn beschreibt ihn als „einen der größten gesellschaftlichen Player in der westdeutschen Nachkriegszeit“. Auch wenn die Kirchentage in der DDR eine andere Prägung hatten, gab es dort Spielräume, die anderen gesellschaftlichen Bereichen verwehrt blieben. Die aktuelle Diskussion um Digitalisierung und um den Umgang mit Archivalien zeigt, dass der Kirchentag auch in Zukunft ein kritisches und kreatives Forum bleiben soll.
Generalsekretärin Jahn unterstreicht die Notwendigkeit, die Unabhängigkeit des Kirchentags zu bewahren und mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken. „Wir können uns nicht von Mitgliedszahlen treiben lassen“, sagt sie und führt fort, dass die Gegenwart und die künftige Ausrichtung des Kirchentags eine neue Erzählung erfordere – eine Erzählung, die den Glauben sichtbar feiert, auch „wenn wir mit Gott in der Pampa unterwegs sind“.