Eine neue Untersuchung des SWR-Investigativformats "Vollbild" zu Stalking und Gewalt gegen Männer kommt ans Licht und sorgt für viel Gesprächsstoff. Die Umfrage, durchgeführt von Infratest dimap, zeigt, dass eine überwältigende Mehrheit der Deutschen – etwa 75 Prozent – der Meinung ist, dass Männer, die Opfer von Stalking oder häuslicher Gewalt werden, oft nicht genügend Unterstützung und Aufklärung erhalten. Diese Meinung wurde bei einer Befragung von 1.309 Wahlberechtigten zwischen dem 3. und 4. September 2024 erhoben.
Laut den Ergebnissen ist das öffentliche Bewusstsein für dieses Thema alarmierend gering. Zu den zentralen Forderungen der Befragten gehört die Schaffung von mehr Hilfsangeboten und Beratungsstellen für Männer, die in gewalttätigen Beziehungen leiden. Dies wird auch von den Zahlen des Bundeskriminalamts bestätigt, das festgestellt hat, dass fast 20 Prozent der Opfer von Beziehungsgewalt Männer sind, was bedeutet, dass jede fünfte betroffene Person männlich ist.
Fehlende Unterstützungssysteme
Die vorhandenen Hilfsangebote für Männer sind in Deutschland denkbar gering. Das Bundesfamilienministerium hat eingeräumt, dass es momentan nur zwölf Männer-Schutzwohnungen mit insgesamt 43 Plätzen gibt. Diese Unterkünfte sind entscheidend, um Männern, die Gewalt erfahren haben, einen sicheren Rückzugsort zu bieten. Außerdem gibt es nur eine kleine Anzahl geschlechtsunabhängiger Schutzunterkünfte, in denen alle Geschlechter Zuflucht finden können.
Auf die Umfrageergebnisse reagierte das Bundesfamilienministerium, indem es betonte, dass jede Form von häuslicher Gewalt inakzeptabel ist und dass sowohl Frauen als auch Männer geeignete Hilfe benötigen. In dieser Hinsicht plant das Ministerium im Rahmen des Gewalthilfegesetzes, das im kommenden Jahr in Kraft treten soll, eine verstärkte finanzielle Unterstützung für die Prävention von Gewalt. Asha Hedayati, eine Anwältin für Familienrecht, äußerte jedoch Bedenken: "Drei Millionen Euro für Präventionsmaßnahmen sind lächerlich gering. Das wird keinen echten Unterschied machen."
Des Weiteren stellt das 2020 ins Leben gerufene Hilfetelefon "Gewalt an Männern" eine der wenigen Anlaufstellen für Männer dar, die Missbrauch erlebt haben. Jährlich wenden sich dort Tausende Männer, die unter Stalking oder kontrollierender Beziehung leiden, um Unterstützung zu suchen. Das Hilfetelefon vermeldet einen Anstieg der Anrufe, was auf ein wachsendes Bewusstsein und möglicherweise auch auf die Verzweiflung der Betroffenen hinweist. Allerdings fehlen der Hotline oft die finanziellen Mittel und ausreichend Berater, um den Bedürftigen gerecht zu werden.
Ein weiteres Hindernis, das viele Männer daran hindert, Hilfe in Anspruch zu nehmen, sind traditionelle Rollenbilder. Viele Männer kämpfen damit, ihre Erfahrungen als Opfer zu identifizieren. Der Psychologe Björn Süfke, der am Hilfetelefon mitwirkt, erklärt: "Für Männer ist es oft ein schwerer Schritt, sich selber als Opfer zu sehen. Sie brauchen häufig einen größeren Leidensdruck, um den Mut zu finden, sich Hilfe zu holen." Das zeigt sich auch in den Statistiken: Viele Männer erstatten erst dann Anzeige, nachdem sie bereits längere Zeit in einer missbräuchlichen Situation existiert haben.
Die anstehende Veröffentlichung der "Vollbild"-Doku "Männer als Opfer? Hilflos bei Stalking und Gewalt" am 8. Oktober 2024 will die Problematik weiter aufklären und zu dem wichtigen Thema mehr Raum in der gesellschaftlichen Diskussion geben. Sie wird ab 5 Uhr in der ARD Mediathek verfügbar sein und thematisiert, wie männliche Opfer von Gewalt oft im Schatten stehen und nicht die Unterstützung erhalten, die sie benötigen.
Für weitere Informationen zur Doku und zur Thematik allgemein, können Interessierte die gesamte Recherche ab dem Veröffentlichungsdatum unter www.ard.de abrufen.
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