In den letzten Jahren ist das Thema Ganztagsschule immer mehr in den Fokus rückt. Helmut Klemm, Schulleiter der Eichendorffschule in Erlangen, bringt seine Bedenken über die traditionelle形式 der Halbtagsschule deutlich zum Ausdruck. Er kritisiert die kurzen Schulzeiten und die damit verbundenen Erziehungsverhältnisse, die oftmals eher reaktionsbasiert als präventiv wirken.
„Es gibt keine Schule ohne Konflikte“, erklärt Klemm in einem Interview mit BuzzFeed News Deutschland. Für ihn sind die Herausforderungen, wie Gewalt und Mobbing, Teil des Schulalltags, denen mit zwei Jugendsozialarbeitern und einer Sozialpädagogin in seiner Schule aktiv begegnet wird. Laut einer Umfrage der Robert Bosch Stiftung fühlen sich fast 47 Prozent der Lehrkräfte von ihren Schülern bedroht, was die Dringlichkeit der Konfliktbewältigung unterstreicht.
Die Perspektive der Ganztagsschule
Klemm stellt die Frage in den Raum, wie man Kinder von acht bis zwölf Uhr erziehen kann, ohne ihnen den nötigen Raum für persönliche Entwicklung und Interaktion zu geben. „In Halbtagsschulen wird Erziehung zu einer simplen Reaktion auf Verhalten der Schüler“, sagt er. Dieses System hebt hervor, dass es oftmals an Werten wie Kommunikation und gegenseitigem Verständnis mangelt, wenn der Fokus nur auf lehrplanrechtlichen Inhalten liegt.
In der Halbtagsschule wird der Blick auf Kinder häufig als rein funktional wahrgenommen. Anstatt als Individuen mit eigenen Bedürfnissen, werden sie mehr als „Objekte“ betrachtet. Der Schulleiter warnt davor, dass diese Perspektive die emotionale und soziale Entwicklung der Schüler ernsthaft beeinträchtigen könnte. Er beschreibt die Schulroutine als hektisch, da eine Stunde die nächste jagt und die Zeit zu wenig für einen intensiven Austausch untereinander bleibt.
Ein bedeutender Unterschied der Ganztagsschule ist der Ansatz, dass Kinder verpflichtet sind, an mindestens drei Tagen in der Woche für sieben Stunden an den Angeboten der Schule teilzunehmen. Diese strukturierte Herangehensweise soll helfen, die Konflikte proaktiv anzugehen und bessere Beziehung zu den Schülern zu fördern.
Statistische Analyse der Ganztagsschulen in Deutschland
Aktuell gibt es in Deutschland nur 1,3 Prozent voll gebundene Ganztagsschulen, in denen Kinder verpflichtet sind, ganztäglich an der Schule zu bleiben. Gleichzeitig zeigt eine Umfrage der Kultusministerkonferenz, dass die Zahl der Ganztagsschulen in den letzten zwei Jahrzehnten gestiegen ist: 2020 boten 71 Prozent der Schulen ein entsprechendes Angebot an. Klemm hebt jedoch hervor, dass die „offenen Ganztagsschulen“ nicht vergleichbare Ergebnisse in Bezug auf Bildungsgerechtigkeit erzielen, da diese nicht die gleichen verpflichtenden Strukturen wie gebundene Ganztagsschulen besitzen.
„Die offene Ganztagsschule beseitigt keine Bildungsunterschiede“, warnt Klemm und kritisiert, dass die Betreuung oftmals nur von nicht ausgebildeten Kräften übernommen wird. Dies könnte für Kinder aus sozial schwächeren Verhältnissen zwar eine Verbesserung darstellen, jedoch bringt es nicht die gleiche Chancengleichheit mit sich, die gebundene Programme bieten könnten.
Klemm appelliert für eine grundlegend neue Denkweise der Ganztagsschule. „Wir brauchen Ganztagsbildung, nicht nur Ganztagsbetreuung“, betont der Schulleiter und verweist auf das Beispiel anderer Länder wie Kanada, in denen eine kulturelle Verankerung von Nachmittagsaktivitäten existsiert. Dort wird eine Verbindung zwischen Freizeitaktivitäten und schulischen Lerninhalten als normal angesehen.
Schließlich ist für Klemm klar: „Schule wird nicht nur von Lehrern gemacht“. Der Kooperation mit externen Partnern, wie Musikvereinen oder Handwerkern, wird eine große Bedeutung beigemessen. Solche Initiativen könnten einen wertvollen Beitrag zur Überbrückung des akuten Lehrkräftemangels leisten.
Diese Ansichten von Helmut Klemm zeigen, wie wichtig es ist, das Schulsystem in Deutschland zu hinterfragen und anzupassen, um eine bessere Lern- und Lebensumgebung für Schüler zu schaffen. Die Diskussion um die Zukunft der Schule ist gerade jetzt von großer Bedeutung, denn die Art und Weise, wie Kinder heute lernen und leben, wird entscheidend für ihre Entwicklung sein.