In Gießen sorgt die Situation am Kirchenplatz nicht nur bei Anwohnern für Besorgnis. Stadtpfarrer Gabriel Brand gibt Einblick in die Herausforderungen, die sich durch die Anwesenheit von Drogenkonsumenten und Vandalismus ergeben haben. In einem aktuellen Interview skizziert er die Veränderungen in der Umgebung und die ambivalente Rolle der Kirche in dieser Problematik.
„Es gab in letzter Zeit große Probleme, die auch öffentlich diskutiert wurden“, erläutert Brand. Vor Kurzem schien sich die Lage jedoch zu entspannen. „Im Moment ist die Situation etwas ruhiger“, so der Pfarrer. Die verbesserte Situation könnte auf die verstärkte Polizeipräsenz zurückzuführen sein, die offenbar einige der Drogenszene vom Platz wegführte. „Ob dies jedoch von Dauer ist, bleibt abzuwarten“, fügt er hinzu und betont, dass die Polizei dem Platz wieder mehr Sicherheit verleihen könne.
Die Herausforderungen am Kirchenplatz
Trotz der Rückgänge bei den Konflikten berichten Anwohner von einer Verschärfung der Situation: „Wir haben neue Gesichter am Platz, die wir vorher nicht gesehen haben, und das hat oft mit aggressivem Verhalten zu tun“, erklärt Brand. Die alteingesessene Gruppe habe gewissermaßen ihren Platz eingenommen und sei ansprechbar. Im Gegensatz dazu sei die Interaktion mit neuen Besuchern schwierig. „Viele reagieren gar nicht, wenn man sie anspricht“, bemerkt er.
Der Pfarrer sieht es als unverzichtbar an, einen Draht zu den Menschen zu haben, die regelmäßig den Kirchenplatz aufsuchen. „Das Verantwortungsgefühl für den Platz ist viel stärker, wenn alle Seiten miteinander in Kontakt stehen.“ Brand führt an, dass diese Kontaktpflege auch zu einer gewissen Respektierung gegenüber dem Ort führt, wie beispielsweise wenn alteingesessene Mitglieder der Szene bereitwillig bei der Reinigung helfen.
Eine der großen Herausforderungen für die Kirche im Zusammenhang mit diesen Problematiken ist der Vandalismus. Brand berichtet von wiederholten Diebstählen von Blumen und Kerzen, die im Zusammenhang mit ihrer Kapelle stehen. „Es gab keinen Vandalismus in diesem Ausmaß zuvor“, betont er und nennt besonders anstößige Vorfälle wie das Urinieren in ein Taufbecken. Diese Handlungen verkörpern nicht nur einen Angriff auf den Raum, sondern auch auf die Gemeinschaft, die er repräsentiert.
Die Kirche als Fürsprecher
Brand sieht die Rolle der Kirche als Fürsprecher für die Gestrandeten in der Gesellschaft. „Es gehört zu unserem kirchlichen Auftrag, uns auch den Menschen zu widmen, die marginalisiert sind“, führt er aus. Doch er ist sich bewusst, dass dies bedeutet, eine Balance zwischen der Verteidigung der Betroffenen und dem Schutz der Gemeinschaft zu finden. „Um ein friedliches Miteinander zu garantieren, ist gegenseitiger Respekt von Nöten“, ergänzt er.
Im Hinblick auf langfristige Lösungen stellt Brand die Bedeutung eines engagierten Dialogs zwischen Stadt, Anwohnern und der Kirche heraus. „Eine Umgestaltung des Kirchengeländes könnte hier eine Antwort bieten“, schlägt er vor. Inspirierende Modelle wie das in Münster, wo geschützte Bereiche für Konsumenten geschaffen wurden, könnten auch in Gießen ein Schritt in die richtige Richtung sein.
Die Herausforderungen sind nach wie vor groß, und während Brand Optimismus hinsichtlich der letzten Entwicklungen hat, weiß er um die Komplexität der Situation. Die Police könnte weiterhin eine Rolle spielen, doch die Installation von Videoüberwachung an der Kapelle lehnt er ab. „Wir wollen ein geschützter Raum sein, wo Menschen anonym bleiben können“, sagt Brand. Ein Platz des Schutzes und der Stille bleibt auch in schwierigen Zeiten unerlässlich.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine kollektive Anstrengung nötig ist, um langfristig die Probleme am Kirchenplatz zu lösen. „Alle Seiten müssen ins Gespräch kommen“, fordert Brand entschieden. Die Kirche steht dabei zwischen dem Bedürfnis nach Sicherheit und dem Drang, für die Schwächsten unter uns einzutreten. Weitere Einblicke und Informationen dazu finden Sie hier.