Die Berücksichtigung der Bedürfnisse junger Menschen ist eine zentrale Herausforderung in Deutschland, wie der neueste Kinder- und Jugendbericht des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zeigt. Dieser Bericht, der alle vier Jahre präsentiert wird und von einer unabhängigen Expertenkommission verfasst wird, untersucht die Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen sowie die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe.
Insgesamt wurden zwischen November 2022 und August 2023 eine Vielzahl von Anhörungen und Workshops durchgeführt, um die Meinungen und Ansichten von 5381 jungen Menschen im Alter von fünf bis 27 Jahren zu verstehen. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass viele Kinder und Jugendliche sich nicht ausreichend gehört fühlen und fordern mehr Mitbestimmungsrechte in ihrem Alltag.
Wichtigkeit der Mitbestimmung
„Die Forderungen nach mehr Mitbestimmung sind nicht neu“, erklärt Marcus Engel, Geschäftsführer des Kinderschutzbundes Gießen. „Die Jugendlichen sind frustriert über intransparente Entscheidungsprozesse.“ Seit Jahren setzen sie sich aktiv dafür ein, dass ihre Stimmen in politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen Gehör finden. Dies geschieht unter anderem durch Initiativen wie den „Jugend-Check“, der speziell auf die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen im Jugendhilfesystem abzielt.
Engel betont, dass es auf politischer Ebene einige Fortschritte gegeben hat, jedoch bleibt der Wunsch nach konkreten Veränderungen, wie der Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz, stark präsent. „Hier gibt es noch viel zu tun“, so Engel.
Ein bemerkenswerter Aspekt des Berichts ist die Diskussion über die unterschiedlichen Lebenswelten von Kindern und Erwachsenen. Viele Erwachsene tun sich schwer, die Perspektive von Kindern einzunehmen und zu verstehen, warum es wichtig ist, sie in Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Dieser Perspektivwechsel ist entscheidend, um in Zukunft erfolgreich mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten und ihre Bedürfnisse besser zu verstehen.
Gesellschaftliche Herausforderungen
Die Lebensrealität junger Menschen wird zudem stark von aktuellen globalen Herausforderungen geprägt, wie Kriegen, dem Klimawandel und den Nachwirkungen der Pandemie. „Diese Krisen haben Einfluss auf die kindliche Lebenswelt, wodurch die Bedürfnisse nach Orientierung und Sicherheit steigen“, verdeutlicht Engel.
Gerade im Kontext von Herausforderungen wie dem Klimawandel ist die Einbeziehung junger Menschen von großer Bedeutung. Engel ermutigt Erwachsene dazu, mit Kindern und Jugendlichen über diese Themen zu sprechen, um ihnen ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln und sie aktiv in Problemlösungen einzubeziehen.
Ein Beispiel für positive Ansätze ist die Planung öffentlicher Freizeiträume in Gießen, wo die Stadtverwaltung versucht, Kinder und Jugendliche frühzeitig einzubinden. Engel sieht hier Raum für Verbesserungen: „Es muss sichergestellt werden, dass wir junge Menschen bei Planungsprozessen ernsthaft einbeziehen.“ Er kritisiert, dass trotz guter Ansätze in vielen Fällen die Stimmen der jungen Menschen ignoriert werden. So seien zum Beispiel im aktuellen Verkehrsversuch Kinder und Jugendliche nicht einbezogen worden.
Um den Jugendlichen in Gießen eine Plattform zu bieten, sich zu engagieren, gibt es verschiedene Initiativen. So können Schulklassen sich bei „Jugend im Rathaus“ anmelden oder ein Jugendforum gründen. Anwohner können außerdem über Bürgerfragestunden ihre Anliegen äußern und sich aktiv an der Gestaltung ihrer Stadt beteiligen. Informationen hierzu sind über die Koordinatorin für Kinder- und Jugendbeteiligung erhältlich.
Für weitere Details zum Engagement gibt es zahlreiche Informationen auf der Webseite des Kinderschutzbundes Gießen, wo interessierte Kinder und Jugendliche weitere Anlaufstellen finden, um sich aktiv einzubringen und teilzuhaben. Hier geht es zur Quelle.