Der Weg in eine neue Ära der Abfallwirtschaft im Rheingau ist geebnet. Die traditionsreiche Abfallverbands Rheingau (AVR) steht vor einer bedeutenden Veränderung: Die Stadtverordnetenversammlung von Oestrich-Winkel hat einstimmig einer Fusion mit dem Eigenbetrieb Abfallwirtschaft des Rheingau-Taunus-Kreises zugestimmt. Diese Entscheidung ist nicht nur ein einzelner Schritt, sondern könnte ein Signal an die anderen sechs Kommunalparlamente in der Weinregion sein, die voraussichtlich diesem Beispiel folgen werden.
Die Fusion, die bis Ende 2028 vollzogen sein soll, bringt das Ende einer mehr als vier Jahrzehnte anhaltenden Aufteilung in der Abfallwirtschaft mit sich. Bis dahin laufen die bisher festgelegten Entsorgungsverträge mit dem Wiesbadener Unternehmen Knettenbrech + Gurdulic aus, die bereits zweimal verlängert worden sind. Der stellvertretende AVR-Verbandsvorsteher Christian Aßmann gibt sich zuversichtlich, dass auch die weiteren Kommunen ähnliche Abstimmungen vornehmen werden.
Finanzielle Stabilität trotz Herausforderungen
Die finanzielle Lage des schuldenfreien Zweckverbands ist stabil, und ein Anstieg der Gebühren ist vorerst nicht zu befürchten. Der Verband verfügt über Rücklagen von mehr als 800.000 Euro, die dazu dienen, eventuelle Verluste auszugleichen und einen balancierten Etat für die kommende Zeit vorzulegen. Im Jahr 2023 bleibt der Fehlbetrag mit 1,1 Millionen Euro voraussichtlich geringer als im Vorjahr. Die Schwankungen bei den Altpapierpreisen scheinen sich stabilisiert zu haben, was zu einer Entlastung der Finanzen führt.
Dennoch ist ein Rückgang der gesammelten Altpapiermengen zum Thema geworden. Während 2019 noch 4500 Tonnen gesammelt wurden, sank die Menge im Jahr 2023 auf lediglich 3900 Tonnen. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Jürgen Roth, Geschäftsführer des AVR, mutmaßt, dass die Digitalisierung der Medienwelt und die Verwendung alter Zeitungen als Kaminofenbeigabe Einfluss auf das Sammlergebnis nehmen.
Rechtsstreit und wirtschaftliche Herausforderungen
Die Situation wird durch einen langanhaltenden Rechtsstreit zwischen dem AVR und dem Duales System Deutschland zusätzlich kompliziert. Der Ausgang dieses Verfahrens könnte für den AVR entscheidend sein, da er auf zusätzliche Einnahmen in Höhe von bis zu 250.000 Euro hofft. Der Streit dreht sich um die Erstattung von Kosten, die den Kommunen durch die Sammlung von Altpapier entstehen. Diese fordern eine Kostenübernahme von zwei Dritteln, statt wie bisher nur einem Drittel. Ein erster Verhandlungstermin vor Gericht ist für Ende November angesetzt.
Eine weitere Herausforderung ist die steuerliche Einstufung des AVR als „Betrieb gewerblicher Art“, was zu einer GewSt, Körperschaftssteuer und weiteren Abgaben führt, die sich auf etwa 185.000 Euro summieren. Dies ist eine Folge des neuen Verpackungsgesetzes, das zusätzlich auch den Personalaufwand in die Höhe treiben könnte.
Inzwischen zeigt sich eine positive Entwicklung in Bezug auf die Kosten für die Abfallsammlung, die durch gesunkene Treibstoffpreise begünstigt wird. Der Rückgang bei den Mengen an Restmüll und Sperrmüll bringt ebenfalls Erleichterungen bei den Entsorgungskosten mit sich, was sich vorteilhaft auf die Haushaltsbilanz auswirkt.
Für die rund 64.500 Bürger der Region bleibt die Abfallentsorgung im nächsten Jahr unverändert. Die Bürger sollten jedoch auf den neuen digitalen Papierabfallkalender verzichten, der künftig nicht mehr ins Haus geliefert wird. Stattdessen steht ein digitaler Download zur Verfügung, oder sie können eine Printversion im Rathaus abholen. Diese Änderung soll dem Verband etwa 25.000 Euro an Kosten einsparen und das Problem veralteter Informationen in den Druckversionen vermeiden.