Im ruhigeren Teil von Kassel, genauer gesagt in Wehlheiden, gibt es einen Konflikt, der die Gemüter des 83-jährigen Rainer Hamenstädt und seiner Nachbarn, den Vereinigten Wohnstätten, erhitzt. Ein besonders hartnäckiger Streit hat sich um zwei große Ebereschen entwickelt, deren Äste über Hamenstädts Grundstück hinweg ragen und ihm das Leben schwer machen. Die Situation hat sogar rechtliche Ausmaße angenommen und wirft grundlegende Fragen zu Nachbarrechten und Baumschutzsatzungen auf.
Hamenstädt, ein betagter Kämpfer, hat sich geschworen, gegen die überhängenden Äste anzukämpfen. „Das Laub verstopft unser Garagendach und selbst bei Unwettern dropfen größere Äste herab“, erzählt er mit einer Mischung aus Frustration und Entschlossenheit. Auch die Fassade seiner Garage leidet unter den Wurzeln der Eberesche, die sich hartnäckig bis zu seinem Gebäude durchgegraben haben und Risse verursachen.
Rechtliche Unklarheiten und Nachbarrechte
Der Rentner hat versucht, auf persönliche Weise mit seinen Nachbarn eine Lösung zu finden, doch ohne Erfolg. „Sie haben nur kleinere Äste entfernt, das reicht nicht,“ klagt Hamenstädt. Seine letzte Hoffnung war der Rechtsweg. Doch die rechtlichen Hürden, die sich ihm nach einem Besuch beim Gericht präsentierten, waren abschreckend. Gutachten, die in die Zehntausende gehen könnten, hielten ihn davon ab, die Sache weiter zu verfolgen. „Es fühlt sich an wie eine Art Enteignung“, beschreibt er seine Ohnmacht.
Ein zentraler Streitpunkt ist die Frage, ob die Kasseler Baumschutzsatzung, die strenge Regeln zum Schutz von Bäumen aufstellt, über dem Recht des Bundesgerichtshofs steht, das es Hamenstädt erlaubt, überhängende Äste zu entfernen, solange er die Bäume nicht gefährdet oder beschädigt. Laut Baumschutzsatzung müssen Baumfällungen und Eingriffe von der Stadt Kassel genehmigt werden, was Hamenstädt jedoch als übertrieben empfindet.
Bedeutung der Kasseler Baumschutzsatzung
Die Kasseler Baumschutzsatzung sieht vor, dass nur ein begrenzter Teil der Baumkrone ohne Genehmigung entfernt werden darf – maximal zehn Prozent. Verstöße gegen diese Regelung können empfindliche Strafen mit sich bringen, die bis zu 100.000 Euro betragen können. Der Kasseler Rechtsanwalt Jürgen Eichel erklärt: „Städtische oder gemeindliche Baumschutzsatzungen haben Vorrang, das bedeutet, dass die Rechte von Nachbarn in diesem Fall eingeschränkt sind.“
Die Vereinigten Wohnstätten haben sich zu diesem Streit nicht geäußert, was die Sache zusätzlich anheizt. Für Hamenstädt bleibt die Ungewissheit: „Was soll ich tun, wenn ich nicht einmal an meine eigene Garagenwand heran darf?“ In dieser hitzigen Debatte erinnert er alle, die ähnliche Nachbarschaftsprobleme erleben, daran, dass es oft besser ist, zunächst das Schiedsamt zu konsultieren, bevor die rechtlichen Schritte ins Rollen kommen.
Diese Auseinandersetzung verdeutlicht, wie schwierig es sein kann, in urbanen Räumen das eigene Eigentum und die Rechte zu schützen. Für viele ist diese Situation nicht nur ein rechtliches Problem, sondern auch eine Frage des persönlichen Wohlbefindens und der Lebensqualität.
– NAG