Die Herausforderungen und das Erbe der Kunst im Holocaust bilden einen schmerzhaften, aber auch inspirierenden Bereich des interdisziplinären Austausches. Jüngst fand in Gießen eine Konferenz statt, die sich mit den Rechten am geistigen Eigentum von zwischen 1933 und 1945 entstandenen Kunstwerken beschäftigte. Unter dem Titel »Rechte am geistigen Eigentum im Zusammenhang mit Werken, die in Ghettos und Konzentrationslagern entstanden sind« wurde die rechtliche und emotionale Dimension dieser Thematik beleuchtet.
Veranstaltet an der Justus-Liebig-Universität, wurde die Konferenz von Prof. Thilo Marauhn und Dr. Ayse-Martina Böhringer geleitet. Sie bot eine Plattform für Forscher weltweit, um sich über die oft übersehenen Rechte der Künstler auszutauschen, die unter unmenschlichen Bedingungen kreative Werke schufen. Insbesondere die Kunstwerke der jüdischen Häftlinge, die in Konzentrationslagern wie Auschwitz und Berga entstanden sind, stehen im Mittelpunkt dieser Diskussionen.
Emotionale Einblicke in die Kunst der Häftlinge
Einer der besonderen Beiträge kam von Prof. Lior Zemer, einem Dekan der Harry Radzyner Law School aus Israel und Angehörigen der dritten Generation von Holocaust-Überlebenden. Zemer gab einen persönlichen Einblick in die Bedeutung dieser Kunst für die Nachfahren der Opfer. So spielt sein Sohn heute Werke des jüdisch-tschechischen Komponisten Pavel Haas, der im Konzentrationslager Auschwitz ermordet wurde. Diese Verbindung zur Vergangenheit zeigt, wie die kreativen Stimmen der Künstler über ihre Werke weiterleben und die kollektive Erinnerung an diese dunkle Zeit lebendig bleibt.
Auch Eliad Moreh-Rosenberg, die Chefkuratorin für Kunst in der Abteilung Museen von Yad Vashem, trug zur Diskussion bei und präsentierte Werke aus der Zeit der Haft in den Konzentrationslagern. Ihre Ausführungen unterstrichen die Emotionalität und den kulturellen Wert dieser Schöpfungen, die oft in Vergessenheit geraten sind.
Dass die Kunst ihrer Schöpfer auch Politiker und Juristen beschäftigt, zeigte sich in einer Reihe von Vorträgen. Prof. Matthias Weller, ein Experte für internationales Zivilverfahrensrecht, sprach über die Herausforderungen bei der Restitution von NS-Raubkunst und die notwendigen gesetzgeberischen Reformen in Deutschland.
Rechtliche Herausforderungen und interdisziplinäre Ansätze
Ein weiterer Diskussionspunkt waren die Washingtoner Prinzipien zu NS-konfiszierter Kunst, behandelt von Dr. Avraham Weber. Er hob hervor, wie sogenannte Soft Law als Mittel zur Verwirklichung von Gerechtigkeit eingeführt wurden. Dies zeigt, dass der rechtliche Rahmen zur Verfügung stehen muss, um die kreativen Leistungen dieser Künstler angemessen zu würdigen und ihnen das zu geben, was ihnen genommen wurde.
Die Konferenz brachte auch tiefgehende Vergleiche zwischen der Aufarbeitung des Holocaust und anderen historischen Ungerechtigkeiten, wie dem kolumbianischen Friedensprozess, zur Sprache. Prof. Stefan Peters von der Justus-Liebig-Universität leitete hierzu einen aufschlussreichen Vortrag, der zahlreiche Teilnehmer zum Nachdenken anregte.
Das Thema des Urheberrechts in Verbindung mit Kunstwerken von Holocaust-Opfern ist nicht nur eine wissenschaftliche Fragestellung. Vielmehr ist es eine Auseinandersetzung mit einem kulturellen Erbe, das von enormer Bedeutung ist. Es bleibt abzuwarten, wie sich die rechtlichen Rahmenbedingungen weiterentwickeln werden, um diesen Künstlern und ihren Nachfahren gerechter zu werden. Die Konferenz in Gießen war ein wertvoller Schritt in der richtigen Richtung.
Die Veranstaltung war auch der krönende Abschluss des post-Holocaust Remedies-Projekts, das von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) sowie dem Bundesministerium der Finanzen gefördert wurde. Nach 23 Monaten Projektlaufzeit endete dieser interdisziplinäre Austausch mit einem erfolgreichen Ergebnis, das neue Perspektiven für künftige Forschungen eröffnet.
Kunst und Widerstand: Ausdruck unter extremen Bedingungen
Die Kunst, die in Ghettos und Konzentrationslagern geschaffen wurde, stellt nicht nur ein Überbleibsel der Tragödien des Holocaust dar, sondern auch einen Ausdruck von Widerstand und menschlichem Überleben. Viele Künstler nutzten ihre Kreativität, um ihre Identität und Menschlichkeit in einer unmenschlichen Umgebung zu bewahren. Werke von Künstlern wie Felix Nussbaum, dessen Malerei eindringliche Bilder von Verfolgung und Verlust zeigt, verdeutlichen, wie Kunst als Mittel zur Reflexion und zum emotionalen Ausdruck dient. Diese Schöpfungen tragen nicht nur zur Erhaltung des historischen Gedächtnisses bei, sondern rufen auch die Frage nach der ethischen Verantwortung auf, die heutigen Generationen in Bezug auf den Umgang mit diesen Kunstwerken haben.
Der Kampf um das Urheberrecht im Kontext des Holocaust wirft auch die Frage auf, wie die Gesetze von heute die Schöpfungen von gestern behandeln sollten. In vielen Fällen sind diese Werke von Künstlern, die nicht überblicken konnten, dass ihre Kunst auch nach ihrem Tod Bedeutung und Wert erlangen könnte, weiterhin rechtlich und moralisch umstritten.
Einbindung von rechtlichen und kulturellen Aspekten
Die rechtlichen Herausforderungen hinsichtlich des Urheberrechts an Kunstwerken aus dieser Zeit sind komplex. Zum einen gibt es die Herausforderung, dass viele Künstler während des Holocausts ihre Werke unter Zwang geschaffen haben und deshalb die Voraussetzungen für das Urheberrecht fraglich sind. Zum anderen spielen kulturelle Perspektiven eine Rolle: Die Werke sind oft kein reines Produkt des Marktes, sondern auch Teil eines kollektiven Erbes, das es zu bewahren gilt.
Ein Beispiel für einen rechtlichen Diskurs ist die Diskussion um die Washingtoner Prinzipien, die 1998 auf einer Konferenz in Washington, D.C., erlassen wurden, um den Umgang mit NS-raubkunst zu regeln. Diese Prinzipien fordern, dass von den Regierungen und Institutionen ein fairer Ausgleich geschaffen werden soll, wenn es um die Rückgabe von Kulturgütern geht. Doch in vielen Fällen bleibt die Umsetzung dieser Prinzipien eine Herausforderung, da rechtliche Rahmenbedingungen oft unzureichend sind.
Aktuelle Statistiken zur Restitution von NS-Raubkunst
Laut dem Bundesministerium für Finanzen (BMF) sind seit der Einführung der Washingtoner Prinzipien in Deutschland über 24.000 Objekte aus dem Besitz jüdischer Familien identifiziert worden, jedoch sind viele dieser Fälle noch ungelöst. Bei etwa 40 % der Fälle bleibt unklar, wie und ob eine Rückgabe oder Entschädigung erfolgen kann. Diese Zahlen verdeutlichen die komplexe Realität der Restitutionsdiskussionen und die Notwendigkeit für rechtliche und gesellschaftliche Fortschritte.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Auseinandersetzung mit Kunstwerken aus der Zeit des Holocausts nicht nur ein juristisches, sondern auch ein kulturelles und emotionales Problem darstellt. Ohne eine tiefere gesellschaftliche Reflexion und juristische Rahmenbedingungen wird das Erbe dieser Künstler weiterhin in der Schwebe bleiben.
– NAG