Im Herzen von Gießen, genauer gesagt in der Volksbank Mittelhessen in der Goethestraße, eröffnet eine bemerkenswerte Ausstellung, die sich mit der Aufarbeitung der DDR in der deutschen Erinnerungskultur befasst. Diese Plakatausstellung, die unter dem Titel „DDR in der Erinnerungskultur“ läuft, dient als eindrucksvolles Zeugnis einer Zeit, die 35 Jahre nach dem Fall der Mauer immer noch für emotionale und oft kontroverse Diskussionen sorgt.
Der Osten und der Westen Deutschlands zeigen auch Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung noch deutliche Unterschiede in ihren Sichtweisen und Ansichten. Dies wurde kürzlich durch die Wahlergebnisse der AfD während der Europawahlen verdeutlicht, die bedauerlicherweise oft den ehemaligen Grenzverlauf abbilden. Die Ausstellung zielt darauf ab, diese sprachlichen und kulturellen Gräben, die oft zur Spaltung führen, sichtbar zu machen. Durch 20 beeindruckende Schautafeln werden wichtige Themen und Ereignisse aufgegriffen, die das schwierige Erbe der DDR beleuchten.
Emotionales Erbe und hitzige Debatten
Ein zentrales Element der Ausstellung ist die kontroverse „Töpfchen-Debatte“, die durch den Kriminologen Christian Pfeiffer angestoßen wurde. Pfeiffer stellte 1998 die Behauptung auf, dass die Erziehung in DDR-Kindergärten zu wenig Raum für Kinder zum Wohlfühlen bot. Diese Aussage führte zu einer breiten Diskussion, die nicht nur die Lebensrealität in der DDR berührte, sondern auch der Ostausdrücker als „bevormundete Kindergartenkinder“ ins Spiel brachte.
Die von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur kuratierte Ausstellung thematisiert diverse Facetten der spannungsgeladenen deutsch-deutschen Geschichte. Beginnend mit dem Fall der Mauer schildert sie die anfängliche Euphorie der Wiedervereinigung und die darauffolgenden Herausforderungen – von der Aufarbeitung der Stasi-Verbrechen bis hin zu den umstrittenen Vergleichen zwischen der DDR und dem nationalsozialistischen Deutschland.
Die Ausstellung nutzt bewusst historische Kontexte, um verschiedene Perspektiven zu beleuchten. So zeigen die Poster die Herausforderungen, denen sich ehemalige DDR-Bewohner gegenübersahen, inklusive der unzureichenden Vermarktung ostdeutscher Produkte nach der Wiedervereinigung. Ein gewisses Comeback dieser Produkte aus Regionalstolz ist ein weiteres Kapitel, das die Komplexität der Erinnerungsbildung in Ost- und Westdeutschland veranschaulicht.
Die Aufarbeitung dieser Geschichte beschränkt sich nicht nur auf visuelle Darstellungen, sondern erstreckt sich auch auf filmische Erzählungen. Komödien wie „Sonnenallee“ und „Good Bye, Lenin!“ werden thematisiert und zeigen, wie die Bevölkerung der DDR auf humorvolle Weise mit ihrer Vergangenheit umgeht.
Ein Dialog über die Geschichte
„Wir haben uns für diese Themen entschieden, weil sie am besten zu uns passen“, erklärte Nicola Roether, zweite Vorsitzende des Fördervereins Lern- und Erinnerungsort Notaufnahmelager Gießen, während der Eröffnungsrede. Sie betont den Wunsch, dass die Ausstellung nicht nur als Rückblick dient, sondern auch die Möglichkeit bietet, offen über die Erinnerungen und Erfahrungen zu diskutieren.
Matthias Leschhorn, der Vorsitzende des Vereins, blickte zurück auf die Flüchtlingsströme von 1988. „Die Menschen kamen, und wir haben versucht, sie mit offenen Armen zu empfangen“, erinnerte er sich. Solche Gedenkmomente zeigen die menschlichen Seiten der Geschichte, die oft vergessen werden.
Die Ausstellung ist bis zum 11. Oktober im Foyer der Volksbank Mittelhessen während der Öffnungszeiten zu sehen. Ziel ist es, die Erinnerung nicht nur wachzuhalten, sondern sie auch als Plattform zu nutzen, um miteinander ins Gespräch zu kommen und historisch bedingte Spannungen zu verstehen.
Für nähere Informationen zur Ausstellung und weiteren Diskussionsanreizen, siehe den Bericht auf www.giessener-anzeiger.de.