In der Stadt Gießen wird ein neues Kapitel in der Bekämpfung des Schulabsentismus aufgeschlagen. Die Fachstelle Schulabsentismus startet ihre Arbeit und möchte den ernsthaften Problematiken hinter dem unentschuldigten Fehlen von Schülern entgegenwirken. Dies ist keine einfache Angelegenheit des Schwänzens, sondern ein Thema von großer Tragweite, das unter anderem psychologische und soziale Faktoren beinhaltet.
Bei der Auftaktveranstaltung, die im Hermann-Levi-Saal des Rathauses stattfand, kamen Vertreter verschiedener Schulformen und zivilgesellschaftlicher Organisationen zusammen, um gemeinsam über die Herausforderungen und Lösungsansätze im Umgang mit Schulabsentismus zu diskutieren. Norbert Kissel, der Schulamtsleiter, wies darauf hin, dass das Thema weitaus komplexer ist als die oft lasche Betrachtung des „Blaumachens“ vermuten lässt.
Fachstelle mit klaren Zielen
Die Fachstelle wurde aus einer zweijährigen Vorbereitungsphase heraus ins Leben gerufen und umfasst Fachkräfte wie Vanessa Löffler und Sebastian Mende, die gemeinsam mit Schulen sowie anderen Institutionen kooperieren wollen. Beide Experten bringen umfangreiche Erfahrungen in der Arbeit mit Jugendlichen mit und möchten Schulen durch maßgeschneiderte Unterstützung helfen.
Löffler und Mende betonen die Notwendigkeit einer ständigen Bedarfsanalyse, um passgenaue Maßnahmen zu entwickeln. Dabei ist es ihnen wichtig, nicht eine vorgefertigte Lösung aufzuzwingen, sondern in enger Zusammenarbeit mit den einzelnen Bildungseinrichtungen zu handeln.
Aktuell werden in Gießen etwa 400 Fälle von Schulabsentismus erfasst, die Zahlen könnten aufgrund landesweiter Statistiken sogar auf bis zu 800 Fälle ansteigen. Die Gründe sind vielschichtig. Jessica Kornmann vom Staatlichen Schulamt lieferte in ihrem Vortrag wichtige Einblicke in die psychologischen und pädagogischen Aspekte dieses Phänomens.
Oft sind die Ursachen für das Fehlen von Schülern nicht nur Faulheit oder Desinteresse, sondern gehen tiefer: Suchtprobleme, familiäre Missbrauchsstorys oder Mobbing können entscheidende Faktoren sein. Solche Hintergründe müssen erkannt und berücksichtigt werden, um den Betroffenen tatsächlich helfen zu können.
Der Teufelskreis des Absentismus
Kornmann erklärte den Teufelskreis, der entsteht, wenn Schüler aufgrund von Fehlzeiten Leistungslücken entwickeln, die wiederum zu Frustration führen. So kann es passieren, dass die Betroffenen nicht nur in der Schule, sondern auch im sozialen Umfeld abgehängt werden. Die Folgen können dramatisch sein, wenn sie sich von gesunden Freundeskreisen abwenden und stattdessen in problematische Lebenswelten abrutschen.
Kissel verdeutlichte, dass es bei diesem Ansatz nicht um Schuldzuweisungen geht. Vielmehr sollen die betroffenen Jugendlichen nicht verloren gehen. Ein zentraler Schritt bei der Bekämpfung des Schulabsentismus ist die frühzeitige Erkennung des Fehlens. Eine funktionierende Kommunikation innerhalb der Schulen ist hierbei von großer Bedeutung.
Die Fachstelle will nicht nur die Fehlzeiten registrieren, sondern auch die Ursachen erforschen und geeignete Hilfsangebote schaffen. Diese Strategie zeigt sich als vielversprechender Ansatz, um die betroffenen Jugendlichen, die oft weitreichende Unterstützung benötigen, zurück in ein positives Lebensumfeld zu führen.
Die Etablierung dieser Fachstelle in Gießen verdeutlicht das wachsende Bewusstsein für die Problematik des Schulabsentismus. Die Erkennung und Unterstützung der betroffenen Schüler sowie der Einsatz auf mehreren Ebenen können dazu beitragen, dass junge Menschen die Chancen ihres Lebens nicht aus den Händen gleiten lassen.
Diese Entwicklungen zeigen, wie wichtig es ist, sowohl das Bildungssystem als auch die sozialen Rahmenbedingungen für die jungen Menschen zu verbessern. Gießen setzt ein Zeichen, dass das Thema ernst genommen wird und konkrete Maßnahmen bereitstehen, um die Ursachen des Schulabsentismus zu bekämpfen und den Schülern neue Perspektiven zu eröffnen. Dies könnte wegweisend für andere Städte sein, die ähnliche Herausforderungen bewältigen müssen.