. Language: German. Title: „““Ende vor dem Start? Für Sanierung maroder Straßen im Kreis Gießen sieht es düster aus“““ Given Information: „““
- Gießener Allgemeine
- Kreis Gießen
Stand: 20.09.2024, 05:00 Uhr
Von: Rüdiger Soßdorf
DruckenTeilen
Im Licher Stadtteil Muschenheim im Kreis Gießen sind die Straßen sanierungsbedürftig. Eigentlich sollte das 2024 angegangen werden. Doch das wird nichts.
Muschenheim – Der Licher Stadtteil Muschenheim (Kreis Gießen) wird 2024 zur Baustelle. Das war die Schlagzeile vor einem Jahr. Die Ortsdurchfahrt soll auf einer Länge von 1,6 Kilometern instand gesetzt werden. Die Stadt will Wasserleitungen, Kanäle und Gehwege erneuern, der Kreis die marode Fahrbahn.
In diesem Jahr wird es aber nichts mehr. Schlimmer noch: Bislang gibt es – obwohl seit zwei Jahren verabredet – keine Zusage für eine Landesförderung. Doch ohne Zuschuss aus Wiesbaden wird der Kreis nicht bauen.
„Schwierige Situation“: Kreis Gießen ist auf Fördergelder angewiesen
Marode Straßen in Muschenheim im Kreis Gießen: An dem Anblick wird sich so schnell vermutlich auch nichts ändern. © Ruediger Sossdorf
Christopher Lipp ist ein ausgesprochen höflicher Mensch. „Der Sachstand ist nach wie vor unbefriedigend“, sagt der hauptamtliche Erste Kreisbeigeordnete und Baudezernent beim Ortstermin am Montag (16. September) am Alten Rathausplatz in Muschenheim. Und spricht von einer „unklaren Förderperspektive“ und einer „schwierigen Situation“.
Das könnte man auch drastischer ausdrücken. Aber Lipp (CDU) ist, wie gesagt, ein höflicher Mensch. Gemeinsam mit dem Licher Bürgermeister Julien Neubert (SPD) und Ortsvorsteher Josef Benner (Freie Wähler) appelliert Lipp an Wiesbaden, doch noch einen Zuschuss freizugeben: „Denn wir sind hier, wie bei allen Kreisstraßen, auf Fördermittel angewiesen.“ Ohne Geld des Landes geht es nicht. Eine Maßnahme dieser Größenordnung sei ohne Fördermittel „nicht stemmbar“.
Kreise können normalerweise bei Sanierungen ihrer Straßen mit Landeszuschüssen von bis zu 70 Prozent der Kosten rechnen. In Muschenheim sind dies bei 3,1 Millionen Euro Sanierungskosten rund 1,8 Millionen Euro.
Ministerium: Förderung für Straßen in Muschenheim „unrealistisch“
Was den Kreispolitiker wurmt: Seit zwei Jahren sind der Kreis, die Stadt Lich und Hessen Mobil als Straßen- und Verkehrsbehörde des Landes in enger Abstimmung. Die Ausschreibung der Arbeiten sollte in diesen Tagen herausgehen, sodass zeitig im kommenden Jahr mit den Arbeiten begonnen werden kann. Auch das wäre schon später als 2023 gedacht.
Den Förderbescheid hatte man für August erwartet. Doch nur per Zufall erfuhr man im Kreishaus, dass es dieses Jahr kein Geld gibt. Bei einer telefonischen Nachfrage im Juni hatten Lipps Fachleute von Hessen Mobil vernommen, dass die Fördermittel 2024 für den Kreis zur Disposition stehen. Die Förderung für die Straßen in Muschenheim wird vom Ministerium zu Lipps Verärgerung als „unrealistisch“ dargestellt.
Dem Dezernenten ist auch klar, dass das Land angesichts begrenzter Mittel priorisieren muss. Aber er beklagt „den Umgang mit uns, mit der kommunalen Ebene“, die das quasi beiläufig erfahren habe. Die später nachgeschobene Begründung: In den vergangenen Jahren sei vergleichsweise ordentlich Geld in den Kreis übermittelt worden – deshalb komme in diesem Jahr nichts.
Stürze von Radfahrern: Kritischer Zustand von Straßen in Muschenheim
Am schlechten Zustand der Straßen in Muschenheim gibt es keinen Zweifel. Es vergehe keine Woche, in der er nicht darauf angesprochen werde, erzählt Ortsvorsteher Benner. Und berichtet von gestürzten Radlern. Es sei ein Glück, dass bislang noch keiner rechtliche Schritte eingeleitet habe.
Lipp und der Licher Bürgermeister Neubert haben im Juli umgehend reagiert, haben zudem den Laubacher Bürgermeister Matthias Meyer (parteilos) eingebunden. Denn auch die Kreisstraße zwischen Ruppertsburg und Gonterskirchen ist zur Förderung angemeldet, soll aber leer ausgehen.
Die Drei haben in Wiesbaden gemeinsam um eine Lösung gebeten, wie denn doch noch eine Förderung möglich sein könnte. Der Kreis hat sogar angeboten, den Förderantrag für die Sanierung der maroden Straße zwischen den Laubach-Dörfern zurückzuziehen, auf dass damit etwas mehr finanzielle Luft sei. Und Lipp hat das Land daran erinnert, dass die aktuelle Sanierung der Ortsdurchfahrt Saasen voraussichtlich erheblich günstiger kommt als geplant. Allein das Land spare da rund eine halbe Million Euro Fördergeld.
Lich, sagt Neubert, ist mit mehr als 450.000 Euro Planungskosten in Vorlage getreten – in dem Wissen um nicht ausreichende personelle Ressourcen bei Hessen Mobil. Die Stadt hat Geld und Arbeitskraft in das Projekt Muschenheim gesteckt – auch in Vorleistung für das, was Aufgabe des Landes gewesen wäre. „Und jetzt die Hängepartie!“, zürnt Neubert.
Treffen mit Staatssekretär geplant – Stellungnahme macht wenig Hoffnung
Die Zahlen machen die Größenordnung deutlich: in Summe rund 8,6 Millionen Euro. Lich will 3,4 Millionen in die Abwasserkanäle investieren, 1,1 Millionen in Wasserleitungen, 2,2 Millionen in Gehwege. Das Riesenprojekt für die kleine Stadt wurde den Bürgern in den vergangenen zwei Jahren kommuniziert, mit Hessen Mobil abgestimmt, anderes dafür zurückgestellt – immer in der Annahme, dass der Deal mit dem Land gilt.
Vor wenigen Tagen ein kleines Signal der Hoffnung aus Wiesbaden, dass man in Muschenheim eine Lösung im Sinne der Bürger anstrebe. Was genau das heißt, das soll noch in einem persönlichen Gespräch erörtert werden. Immerhin ist es in Wiesbaden mittlerweile eine Rangstufe höher angesiedelt: Kein Abteilungsleiter, sondern Staatssekretär Umut Sönmez will Lipp und Neubert im Wirtschaftsministerium empfangen.
Ob was dabei herauskommt? Die Befürchtung ist, dass die Chancen nicht so gut stehen. Das lässt sich auch aus einer Stellungnahme des Ministeriums auf eine Anfrage von IPPEN.MEDIA herauslesen.
Das Land bekennt sich zwar zu kontinuierlicher Förderung des kommunalen Straßenbaues. Aber die Kreise müssten über mehrere Jahre hinweg planen und Prioritäten setzen. „Vor diesem Hintergrund konnte die Planung des Förderprogramms für das Haushaltsjahr 2024 durch Hessen Mobil kein Vorhaben des Landkreises Gießen berücksichtigen.“ Gleichwohl würden „Förderperspektiven geprüft“.
Gießener Stallgeruch im zuständigen Wirtschaftsministerium
Apropos Wirtschaftsministerium: Sowohl der Minister als auch der Staatssekretär sollten um die Situation vor Ort und den Zustand der Straßen wissen. Minister Kaweeh Mansoori, der sich derzeit wegen der Entlassung seiner ehemaligen Staatssekretärin erklären muss, und sein Staatssekretär Sönmez (beide SPD) haben in Gießen Abitur gemacht und studiert. Letzterer saß zudem 2016 bis 2019 im Gießener Kreistag.
„Die Hoffnung stirbt zuletzt“, kommentiert Ortsvorsteher Benner lakonisch. Und auch Lipp steckt nicht auf. Denn er weiß: „Aus unserer Sicht ist Aufschieben keine Alternative!“ Das lässt den Sanierungsstau nur weiter wachsen. Insofern hat er „den dringenden Wunsch, dass das Land in den kommenden Jahren eher mehr gibt als weniger“.
Eines hat der Kreis bereits entschieden: Die 1,9 Millionen Euro teure Sanierung der Straße zwischen Ruppertsburg und Gonterskirchen wird gemacht. Die Arbeiten werden jetzt ausgeschrieben und sollen im Frühjahr 2025 laufen – auch ohne Landeszuschuss. Denn vom Zuwarten wird das Sträßchen nur schlechter. Und alles, was verschoben wird, wird meist teurer – und zieht weitere Verzögerungen anderer Arbeiten nach sich.
Im Kreis Gießen grüßt derweil täglich mancherorts die Baustelle – Verkehrschaos inklusive. (von Rüdiger Soßdorf)
„““ Unique article content: