Die Zahnarztpraxis in Gießen hat mit der Einführung eines besonderen Teammitglieds einen innovativen Schritt unternommen, um Patienten mit Zahnarztangst zu unterstützen. Anouk, ein liebevoller Australian Shepherd, ist nicht nur ein Haustier, sondern übernimmt auch die Rolle eines echten Therapiehundes. Inhaber der Praxis, Zahnärztin Ina Zöller, hat erkannt, wie wichtig emotionale Unterstützung für ängstliche Patienten ist und hat Anouk entsprechend ausgebildet. Diese neue Herangehensweise könnte den Umgang mit Zahnarztangst revolutionieren.
Angelika Derwort ist eine der Patientinnen, die enorm von Anouks beruhigender Präsenz profitiert. Für die 75-jährige ist der Zahnarztbesuch nicht einfach nur unangenehm, sondern mit echter Panik verbunden. Nach traumatischen Erfahrungen aus ihrer Kindheit fällt es ihr schwer, sich im Behandlungsstuhl zu entspannen. Doch Anouk hat das verändert. „Beim Kontakt mit Hunden wird Oxytocin ausgeschüttet, das beruhigend wirkt“, sagt Zöller und erklärt die wissenschaftliche Grundlage dieser Methode. Der Effekt des liebevollen Hundes hat Derwort geholfen, ihre Angst zu überwinden.
Ein neues Ritual
Jede Woche, wenn Derwort zur Untersuchung kommt, ist Anouk zur Stelle. Der erste Schritt beginnt im Wartezimmer, wo Anouk mit ihrer Pfote „Hallo“ sagt. Dieses herzliche Ritual hat einen großen emotionalen Wert für die Patientin. „Sie hat mich so lieb angeguckt. Meine Panik vor der Behandlung, dem Ausgeliefertsein, war verflogen“, erzählt Derwort. Es ist erstaunlich, wie viel Einfluss ein Tier auf unser Wohlbefinden haben kann. Anouk hat ihren festen Platz hinter dem Behandlungsstuhl, wo die Patienten spüren, dass sie da ist, auch wenn sie sie nicht sehen können. Diese Gewissheit wirkt beruhigend.
Die Wirksamkeit der tiergestützten Therapie in der Zahnarztpraxis ist kein Zufall. Zöller hat sich bewusst für die Ausbildung von Anouk zum Therapiehund entschieden und dafür die Genehmigung vom Veterinäramt eingeholt. Bei der Genehmigung wurde darauf geachtet, dass Anouk über Rückzugsmöglichkeiten verfügt und ihre eigene Ruhezone hat. Ein wichtiger Aspekt, um sicherzustellen, dass die Hündin in einem stressfreien Umfeld arbeiten kann.
Wissenschaftliche Grundlage und Hygiene
Die Zahnärztekammer Hessen äußert sich vorsichtig zu dieser Methode. Die Integration von Tieren in die Zahnarztpraxis ist zwar innovativ, jedoch sind nicht unerhebliche Bedenken hinsichtlich der Hygiène aufgeführt. „Der Aufenthalt von Tieren in der Praxis ist, vor allem im Behandlungsraum, nicht unproblematisch“, heißt es. Daher dürfen in Zöllers Praxis nicht alle Behandlungsräume von Anouk betreten werden, und ihre Gesundheit muss regelmäßig überprüft werden, um sicherzustellen, dass sie für die Patienten ungefährlich bleibt.
Laut Zahnärztekammer leiden etwa fünf Millionen Menschen in Deutschland an einer Zahnarztphobie. Die Möglichkeit, Therapiehunde wie Anouk zu integrieren, könnte einen positiven Trend dahin gehend darstellen, wie Zahnarztpraxen mit Angstpatienten umgehen. In einem Umfeld, das durch Stress und Angst geprägt ist, können tiergestützte Therapien eine wertvolle Ergänzung zu traditionellen Behandlungsmethoden bieten.
Derwort hat in der Vergangenheit oftmals Beruhigungsmittel in der Zahnarztpraxis konsumiert. Doch die Anwesenheit von Anouk hat sich als weit weniger belastend und viel effektiver erwiesen. „Ich benötige keine Medikamente mehr“, erzählt sie lächelnd. „Anouk wirkt besser.“ Es ist ein einfacher, aber effektiver Weg, um eine beruhigende Atmosphäre zu schaffen, und zeigt das Potenzial, das tiergestützte Therapie in der medizinischen Versorgung haben kann.
– NAG