Deutschland

Heimkehr ins Würfelhaus: Ein Journalist deckt die Schatten der Vergangenheit auf

In einem packenden Rückblick über seine Kindheit im Gartenstadtviertel bei Langen, südlich von Frankfurt am Main, hat der Journalist und Buchautor Sebastian Moll sein Elternhaus besucht. Nach dem Tod seiner Mutter steht er vor der Herausforderung, nicht nur seinen Nachlass zu sichten, sondern auch die komplexe Beziehung zu seinem Vater zu ergründen. Mit seinem Essay erweckt er längst vergessene Geheimnisse, die tief im Familien-Narrativ verwurzelt sind und einen düsteren Teil der deutschen Geschichte beleuchten.

Das sogenannte Würfelhaus, das Molls Eltern besaßen, ist mehr als nur ein Anwesen; es ist ein Symbol für die „Aufbauträume“ der Nachkriegszeit. Der Wiederaufbau Nachkriegsdeutschlands ist ein zweischneidiges Schwert. Während die Architektur einen modernen Lebensstil versprach, verdeckte sie die brutalen Fakten der letzten Jahre. Moll berichtet eindringlich, dass das schnelle Auslöschen der städtebaulichen Wunden ein unangenehmes Vergessen förderte, das mit der eigenen Mitschuld am Holocaust verbunden ist. Hinter der Fassade des scheinbar harmonischen Familenlebens zeugen alte Dokumente von der weitreichenden Indoktrination und Denkmuster seiner Vorfahren – der Vater: ein ehemaliges Mitglied der Hitlerjugend, der mit unerbittlicher Begeisterung für den Nationalsozialismus kämpfte.

Die Schatten der Geschichte

Moll beleuchtet in seinem Essay nicht nur die persönlichen Wunden in seiner Familie, sondern auch die dunklen Ecken der Frankfurter Stadtgeschichte. Seine Rückkehr ist eine Reise in die Vergangenheit, die von der Architektur und den städtebaulichen Erneuerungen geprägt ist. Der Autor nimmt sich auch der Paulskirche an, die seit dem Wiederaufbau 1947 als Symbol der deutschen Demokratie steht, stellt aber gleichzeitig die oft ignorierte Diskussion über den Umgang mit jüdischem Erbe in den Raum. Innovative Neubauten, wie die „Neue Altstadt“, werden scharf kritisiert, da sie das historische Gedächtnis der Stadt in eine seelenlose Kulisse verwandeln.

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Mit einem kritischen Blick auf historische Quellen und zeitgenössische Kommentare schafft Moll ein Werk, das sowohl autobiografisch als auch gesellschaftskritisch ist. Sein Umzug in die USA interpretiert er als Flucht vor seiner deutschen Identität, doch die untrennbaren Bande zur Vergangenheit ziehen ihn zurück. „Das Würfelhaus. Mein Vater und die Architektur der Verdrängung“ erscheint 2024 im Suhrkamp/Insel Verlag und wird mit 24 Euro erhältlich sein. Ein spannendes Werk, das sicherlich viele Leser fesseln wird!

Quelle/Referenz
taz.de

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