Norddeutschland blickt mit gemischten Gefühlen auf den bevorstehenden Industriegipfel, zu dem Bundeskanzler Olaf Scholz am Dienstagnachmittag eingeladen hat. Während die Vorbereitungen für Gespräche über Unterstützung und Lösungen laufen, meldet sich Andreas Pfaffenberg, der Vorstandsvorsitzende des Industrieverbands Hamburg, zu Wort und warnt vor einer realen Gefahr der Deindustrialisierung. „Es gibt nichts zu beschönigen. Die Deindustrialisierung ist ein reales Risiko, auch in Hamburg“, erklärt Pfaffenberg. Die Mitgliedsunternehmen stehen unter Druck durch explodierende Energiekosten, eine erdrückende Bürokratie und schleppende Genehmigungsprozesse. Der Industrieverband zeigt sich skeptisch hinsichtlich der Erfolgsaussichten des Gipfels, obwohl der Dachverband Bundesverband der Industrie (BDI) teilnehmen wird.
Der Handlungsdruck auf die norddeutsche Wirtschaft ist enorm. Insbesondere in den Bereichen Großhandel, Industrie und Transport herrscht eine Stimmung wie seit 25 Jahren nicht mehr. Der niedersächsische Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall kritisiert die Einladungspolitik des Kanzlers: Vertreter der Metall- und Elektroindustrie wurden nicht eingeladen, was Hauptgeschäftsführer Volker Schmidt für politisch motiviert hält. „Der Standort Deutschland ist durch hohe Steuern, teure Energie und Bürokratie nicht wettbewerbsfähig“, so Schmidt. Er fordert einen „großen Wurf“ an Lösungen, nicht besseres inoffizielles Gerede.
Energiepreise: Ein zentrales Thema
Die Diskussion um Energiepreise dominiert den Gipfel. Ministerpräsident Stephan Weil betont die Notwendigkeit, die Wirtschaft zu entlasten, beispielsweise durch Senkung der Netzentgelte. Seine Kollegin, die Hamburger Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard, unterstützt die Initiative des Kanzlers und hebt hervor, wie wichtig die Industrie in der Transformation ist. Wirtschaftswissenschaftler Martin Gornig sieht die hohen Energiepreise als Teil eines größeren Problems. „Wir erleben ein technologisches Patt: Fossile Technologien haben keine Zukunft, und klimafreundliche Investitionen sind riskant“, warnt Gornig. Um Deindustrialisierung zu verhindern, fordert er weniger Bürokratie und gezielte finanzielle Anreize. Doch auch er hat moderate Erwartungen an den Gipfel.