Dachgeheimnisse: Wenn Liebe und Identität auf engstem Raum kollidieren

Hengameh Yaghoobifarah stellt mit ihrem neuen Roman „Schwindel“ die Frage nach der lesbischen Identität in den Mittelpunkt. Die Erzählung dreht sich um ein Polykül, das auf einem Dach eingeschlossen ist. Hierbei handelt es sich um vier Personen, wobei drei in romantischen Beziehungen zu einer Person stehen. Dieses Setup verheißt Konflikte, aber auch die Möglichkeit von Nähe. Nach ihren bisherigen Erfolgen, darunter der Debütroman „Ministerium der Träume“ und der Kolumnenband „Habibitus“, präsentiert Yaghoobifarah ein vielschichtiges Werk, das die Dynamiken von queeren Beziehungen und die Suche nach Zugehörigkeit beleuchtet.

Was macht dieses Buch besonders? Yaghoobifarah untersucht die Komplexität der Beziehungen der Protagonisten Ava, Robin, Silvia und Delia. Besonders bemerkenswert ist die nichtbinäre Figur Delia, die von der Autorin nicht von Anfang an geplant war, sondern beim Schreiben entstanden ist. Dies zeigt die organische Entwicklung der Charaktere und lässt Raum für authentische Konflikte und Entwicklungen. „Je mehr ich schrieb, desto klarer wurde die Vielfalt der Identitäten“, so Yaghoobifarah.

Identität und Zugehörigkeit

In einem Gespräch mit L-Mag erläutert die Autorin, dass sie die verschiedenen Perspektiven innerhalb der queeren Community zur Sprache bringen wollte. Es gibt Spannungen zwischen queer und lesbisch, die seit Jahrzehnten bestehen. „Ich habe viele ältere lesbische und queere Texte gelesen und wurde oft von der Frage irritiert: Was bedeutet Lesbischsein wirklich?“, so Yaghoobifarah. Diese Auseinandersetzung ist in der queeren Bubble von zentraler Bedeutung, da sie zur Diskussion und Reflexion über Identität anregt.

Die Autorin ist überzeugt, dass die etablierte Definition von Lesbischsein als „Frauen liebende Frauen“ nicht alle Facetten dieser Identität erfasst. Sie sieht diverse Identitäten, wie die von trans Männern oder bisexuellen Frauen, die sich ebenfalls als Lesben bezeichnen. „In den letzten Jahren hat mich genervt, wie eng dieser Begriff gefasst wurde – sowohl von TERF-Seite als auch von queerem Aktivismus“, erklärt sie. Diese Diskussion über die Grenzen von Lesbischsein und die Notwendigkeit einer breiteren Perspektive ist nicht nur zeitgemäß, sondern auch essenziell für die Akzeptanz innerhalb der Community.

Yaghoobifarahs Werk ist mehr als nur ein Roman. Es ist ein literarischer Brückenbau, der die oft komplizierten Beziehungen und Identitäten innerhalb der queeren Community elegant einfängt. Mit einem feinen Gespür für die Dynamiken zwischen den Charakteren schlägt sie den Bogen zu gesellschaftlichen Diskussionen, die wichtig sind für die Sichtweise auf die lesbische Identität im 21. Jahrhundert. „Schwindel“ fordert die Leser:innen auf, ihre eigenen Vorstellungen von Sexualität und Identität zu hinterfragen und neu zu definieren.

Für jene, die sich mit den Herausforderungen der Identitätsfindung auseinander setzen und die Komplexität von Beziehungen in einem queeren Kontext verstehen wollen, stellt Yaghoobifarahs neuester Roman eine unverzichtbare Lektüre dar. Eine umfassende Übersicht über die Situation bietet der Bericht auf www.l-mag.de.

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