. Language: German. Title: „““Föhn zieht nach München – sorgt für klare Sicht in die Alpen“““ Given Information: „““
- Startseite
- Bayern
Stand: 18.10.2024, 18:01 Uhr
Von: Carina Zimniok
DruckenTeilen
Dahinter ist ja fast schon Italien! Bei Föhn sieht es manchmal aus, als ob München direkt an den Alpen liegt. © Heinz Gebhardt
Das Wetter-Phänomen bringt milde Tage nach Bayern. Laut einer Münchner Klimaforscherin sorgt das jedoch nicht nur für klare Sicht, sondern auch für schlechte Laune.
Manchmal, wenn das Leben kompliziert wird, hilft nur einer, und zwar der Pumuckl. Es gibt da eine Folge, sie heißt „Der föhnige Tag“ und sie ist ein Lehrstück über die Bayern. Meister Eder, eh schon kein sonniges Gemüt, ist an diesem Tag besonders gereizt und schusselig. Er verliert Sachen, sperrt sich ein, vergrault Kundschaft und – ja Herrschaftszeiten – stänkert auch noch den gut gelaunten Kobold an. Irgendwann wird klar, warum die Stimmung mau ist. Der Eder hat Föhn, daran liegt‘s.
Wer heute oder morgen eine Ausrede für alles, was schief geht, braucht, hat es leicht. Der Deutsche Wetterdienst sagt Föhn für Mittwoch und Donnerstag vorher. Das heißt, warme Mittelmeerluft schiebt sich von Süd nach Nord über die Alpen. Sobald sie die Berge überwunden hat, sinkt sie ab und erwärmt sich schnell. Am Alpenrand soll es bis zu 23 Grad warm werden, für manche Täler und auf den Gipfeln rechnet Chef-Meteorologe Guido Wolz mit stürmischen Böen. Aber weil Föhn häufig die Wolken wegpustet, scheint vielerorts sogar die Sonne, wenn der Hochnebel sich verzieht. T-Shirt-Wetter! Goldene Nachrichten im grauen Herbst. Oder?
Wetter in Bayern – Kopfweh und Konzentrationsbeschwerden bei Föhn?
Das sieht längst nicht jeder so. Professor Angela Schuh, medizinische Klimatologin der Ludwig-Maximilians-Universität, hat lange Zeit erforscht, wie sich das Wetter auf Menschen auswirkt. Sie weiß, dass sich 50 Prozent der Menschen für wetterfühlig halten. Vermutlich ist das ein wenig übertrieben, aber es gibt keinen Zweifel: Manche Menschen spüren das Wetter. Ihr Befinden verschlechtert sich, sie werden missmutig und unkonzentriert, haben keine Lust auf gar nichts, aber dafür Kopfweh, wenn die Lufttemperatur unerwartet ansteigt und die Feuchtigkeit abnimmt – „genau das ist eine Föhnlage“, sagt die pensionierte Expertin.
Auch Schreinermeister haben Föhn: In einer Pumuckl-Folge hängt deswegen der Haussegen schief. © Pumuckl Media GmbH
Jetzt neigt der Bayer ja dazu, sich im Vergleich mit dem Rest der Welt einzigartig zu fühlen. Damit hat er meistens Recht, aber beim Föhn, der neben Bier und Bergen irgendwie zum bayerischen Kulturgut gehört, nicht. „Föhn gibt es auf der ganzen Welt“, sagt Angela Schuh. In Skandinavien, sogar im Erzgebirge, überall dort, wo der Luftströmung ein Gebirge in der richtigen Ausrichtung im Weg steht.
Mi würgt der Wind, mi druckt der Tag.
(Übrigens: Unser Bayern-Newsletter informiert Sie täglich über alle wichtigen Geschichten aus Bayern.)
Kulturgeschichte des Föhns: Bayern jammern besonders viel
Klar ist aber: Nirgendwo wird so schön über den Föhn gejammert wie bei uns. Die Meier Emerenz zum Beispiel, geboren 1874 im Bayerischen Wald, schreibt in ihrem Gedicht „Wödaschwül‘n“: „Mi würgt der Wind, mi druckt der Tag.“ Oder Karl Valentin, der große Philosoph, dem ein Föhn gut und gerne den ganzen Tag verderben konnte, war sich sicher: „Wer beim Föhn net krank ist, der ist überhaupt net gesund.“ Und der Schriftsteller Herbert Rosendorfer, der in Südtirol geboren ist, aber lange in Bayern gelebt hat, hat es einmal besonders schön auf den Punkt gebracht: „Bei Föhn ist der Münchner schlecht gelaunt. Herrscht einmal ausnahmsweise kein Föhn, hat der Münchner einen Grant.“ Der Münchner ist zwar ein anderer als der Bayer, aber beim Wetter sind die meisten doch gleich.
Manchmal geht‘s fast ein bisschen magisch zu, zum Beispiel am Kochelsee im Jahr 1704. Weil der bayerische Kurfürst Max Emanuel zuvor Nordtirol eingenommen hat, rücken die Tiroler Kämpfer ins Alpenvorland vor. Es ist Winter, angeblich hat es minus 30 Grad. Jedenfalls hört der Abt vom Kloster Benediktbeuern, dass 2000 Tiroler im Anmarsch sind. Den Kesselberg können die tapferen Bayern verteidigen, aber eine Lücke bleibt in der Gefechtslinie: der zugefrorene Kochelsee, über den die Tiroler vorrücken können. Die Benediktinermönche flehen die Heilige Anastasia um Hilfe an und dann passiert das Wunder. Ende Januar 1704 zieht ein gewaltiger Föhnsturm auf, aus 30 Grad minus werden 30 Grad plus, zumindest steht es so in einer Chronik. Das Eis auf dem Kochelsee schmilzt, die Vorhut der Tiroler geht unter. Die Österreicher ziehen zurück, der Föhn hat das Kloster gerettet.
Blick von München bis zum Karwendel
Heutzutage ist er ein Hoffnungsschimmer für viele, die den Abschied vom Sommer nicht verkraftet haben. Und Sehnsucht nach Süden haben: Wann hat man schon einen Blick vom Alten Peter in der Münchner Innenstadt bis zum Karwendel? Dahinter ist ja fast schon Italien! Der klare Weitblick kommt daher, dass durch das Abfallen der Luft viel Feuchtigkeit verdunstet. Außerdem pustet der Föhn, einfach gesagt, den Staub aus der Luft.
Katastrophen in Bayern: Tsunami, Vulkanausbruch, Tornado – wie wahrscheinlich sind diese Horror-Szenarien?
Fotostrecke ansehen
Aber was, wenn man dem Föhn gar nichts Gutes abgewinnt? Vielleicht hilft das: Angela Schuh stellt klar, dass Wetterfühligkeit eine Befindlichkeitsstörung ist – „es ist keine Krankheit“. Man weiß zwar immer noch nicht genau, warum manche Menschen den Föhn spüren, denn: „Der Mensch ist hochkompliziert und das Wetter ist es auch.“ Aber: „Man kann sich die Empfindlichkeit abtrainieren“, sagt Professor Schuh. Grob geht es darum, die Wärmeregulation des Körpers zu verbessern. Sie empfiehlt beispielsweise Kneippkuren oder Saunagänge. Und viele „flotte Spaziergänge“ an der frischen Luft, am besten mit Kleidung, die frische Luft an einen Teil des Körpers lässt. „Das ist die beste Sache“, sagt sie.
Und wie hat Meister Eder seinerzeit das Föhn-Problem gelöst? Der Schnaps im Wirtshaus half nicht, aber ein gutes Ende nahm die Geschichte ja: Der Schreinermeister und sein Kobold sperrten die Werkstatt zu und gingen spazieren. Manchmal ist das Leben sowas von einfach.
„““ Unique article content: