In Leipzig hat Stephan Lowis, der CEO von EnviaM, den dringenden Bedarf an einer Überarbeitung der deutschen Energiepolitik betont. Der größte Energieversorger in Ostdeutschland zeigt sich besorgt über die massiven finanziellen Verluste, die durch stagnierende Stromproduktionen verursacht werden, und fordert eine strategische Neuausrichtung, um die Energiewende effizienter zu gestalten. Allein im letzten Jahr wurden vier Milliarden Euro für die Nichtproduktion von Energie ausgegeben, was seiner Meinung nach zu hoch ist.
Lowis hebt hervor, dass trotz des ambitionierten Ziels der Bundesregierung, bis 2030 etwa 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen, erhebliche Herausforderungen bestehen. In EnviaMs Versorgungsgebiet, wo erneuerbare Energien bereits mehr als 129 Prozent des Strombedarfs abdecken, sei dennoch eine bessere Koordination und Planung unerlässlich. In Sachsen beträgt der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch 57 Prozent, während Brandenburg mit über 300 Prozent Spitzenreiter ist.
Anfragen zur Stromerzeugung steigen
Die Nachfrage nach neuen Wind- und Solarkraftanlagen ist im gesamten EnviaM-Gebiet stark gestiegen. Die Anfragen für große Anlagen haben sich von 1160 im Jahr 2019 auf fast 8000 in diesem Jahr erhöht, was einer beeindruckenden Steigerung von 590 Prozent entspricht. Auch im Bereich kleiner Photovoltaikanlagen gibt es einen Nachfragesprung von unglaublichen 1300 Prozent, mit 69.000 Anfragen im laufenden Jahr.
Trotz der positiven Entwicklung in der Nachfrage bleibt Lowis skeptisch, was die zukünftige Nutzung von erneuerbaren Energien betrifft: „Es gibt einen Boom, aber die Netzinfrastruktur kann mit dem Wachstum nicht Schritt halten.“ Seiner Ansicht nach ist eine bedeutende Kurskorrektur in der Energiepolitik notwendig, um die Produktion und den Verbrauch intelligenter und kosteneffizienter zu steuern.
Ein zentrales Problem ist der sogenannte Redispatch. Hierbei muss Strom aus erneuerbaren Quellen abreguliert werden, um eine Überlastung der Netze zu vermeiden, was zu unnötigen Kosten führt. Lowis merkt an, dass die Verbraucher für Strom bezahlen, der nie produziert wurde, was in einer ineffizienten Nutzung der Ressourcen endet.
Herausforderungen und Lösungsansätze
Was muss konkret anders gemacht werden? Lowis schlägt vor, dass neue Wind- und Solaranlagen dort errichtet werden sollten, wo bereits Kapazitäten im Netz vorhanden sind. Dies könnte durch gesetzliche Regelungen unterstützt werden, um die Investitionen von Betreibern besser zu steuern und die Überlastung der Netze zu verhindern.
Ein weiterer Ansatz wäre, dass versorgende Unternehmen mehr Entscheidungsfreiheit beim Netzanschluss von Stromerzeugungsanlagen erhalten. Momentan dürfen sich nur die ersten Anfragen für einen Netzanschluss durchsetzen, unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit. Eine Aufhebung dieser Regelung könnte dazu führen, dass größere Verbraucher wie Industrieanlagen schneller ans Netz angeschlossen werden und somit die Netze entlastet werden.
Neben diesen strukturellen Änderungen ist es auch notwendig, bürokratische Hürden abzubauen. Genehmigungsverfahren für die Erweiterung bestehender Leitungen sollten vereinfacht werden, um den Prozess deutlich zu beschleunigen.
Lowis' Bedenken beziehen sich nicht nur auf die Energiegewinnung, sondern auch auf die Preispolitik. Er versichert, dass die Preise für EnviaM-Kunden bis 2025 aufgrund der gerechteren Verteilung der Netzentgelte und optimaler Einkaufspreise spürbar sinken werden. Dies ist eine positive Nachricht für über 1,3 Millionen Kunden in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen.
„Wir müssen als Volkswirtschaft gemeinsam an einem Strang ziehen“, appelliert Lowis und bekräftigt, dass trotz der Herausforderungen die Energiewende nicht nur möglich, sondern notwendig ist. „Diese Kurskorrektur in der Energiepolitik ist der Schlüssel zu einer nachhaltigen und kostengünstigen Energiezukunft“, so das abschließende Wort des EnviaM-Chefs.
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