Die Welt des Theaters wird gerade in Nürnberg durch eine neuartige Inszenierung eines der bekanntesten Werke von Eugene O'Neill aufgemischt. Die Geigerin Ekaterina Zeynetdinova sorgt auf einer überraschend gestalteten Bühne für faszinierende musikalische Erlebnisse. In einem eindrucksvollen weißen Kleid steht sie hoch oben, während der Rest der Darsteller darunter agiert. Die Inszenierung mit dem Titel "Eines langen Tages Reise in die Nacht. Instrumentalversion" ist am 13. Oktober 2024 im Staatstheater Nürnberg uraufgeführt worden und bricht mit traditionellen Erzählformen.
Regisseurin Rieke Süßkow hat sich für eine mutige, textfreie Variante des klassischen Stücks entschieden. Hierbei wird die schicksalhafte und belastete Geschichte der Familie Tyrone nicht gesprochen, sondern durch Musik erzählt. Die Darsteller, einschließlich der Schauspielerin Stephanie Leue, die die morphiumabhängige Mutter Mary verkörpert, werden von musizierenden Schatten begleitet. Jedes Familienmitglied hat sein eigenes Instrument, was die einzelnen Charaktere lebendig werden lässt und parallel zur tragischen Handlung verstärkt.
Ein einzigartiges Emotionserlebnis
Die Inszenierung präsentiert die schwierigsten Emotionen über rein musikalische Darbietung. Anstelle von Dialogen dringen die Harmonien und Dissonanzen der Instrumente in die Herzen der Zuschauer ein. Die Komposition von Philipp C. Mayer wird geschickt eingesetzt, um die schleichenden Spannungen und das Ringen um Harmonie im Inneren der Familie zu illustrieren. Der Eindruck wird verstärkt durch das eineinhalbstündige Spiel, das die Zuschauer auf eine emotionale Reise mitnimmt.
Die Darsteller müssen in Abwesenheit von Worten eine intensive Verbindung zum Publikum herstellen. Leue zeigt die Qualen ihrer Rolle eindrücklich und lässt die Zuschauenden den inneren Kampf der Mary nachvollziehen. Die Musik stellt den emotionalen Transporteur dar, der die komplexen Beziehungen zwischen den Figuren vermittelt, ohne das Medium der Sprache zu nutzen. So bleibt der Fokus auf den Gefühlen, die jede Figur prägen und gestalten.
Die Bühnenbildnerin Mirjam Stängl hat eine künstlerisch beeindruckende Umgebung erschaffen, die die Verzweiflung der Familie widerspiegelt. Die drehende Bühne symbolisiert das Gefühl des Nicht-Entkommens aus der familialen Tragödie. Besonders auffällig ist die Verwendung von Licht – oft spärlich, manchmal drückend – wodurch die Mimik der Darsteller verstärkt zur Geltung kommt, auch wenn manche Zuschauer mehr Licht gewünscht hätten.
Künstlerische Zusammenarbeit und Herausforderungen
Die Inszenierung ist das Resultat einer kreativen Teamarbeit mit Fachleuten unterschiedlichster Disziplinen. Die Kostüme von Sabrina Bosshard und die Lichtgestaltung von Paul Grilj tragen zur Gesamtwirkung der Produktion bei. Der künstlerische Input von Komponist Mayer und der Dramaturgie durch Fabian Schmidtlein ist entscheidend für das Verständnis der Handlung in dieser abstrahierten Form.
Süßkow gelingt es, die hohen Erwartungen des Publikums nicht nur zu erfüllen, sondern sie in eine neue Richtung zu lenken. Die Entscheidung, die Familientragödie ohne Worte zu spielen, schafft einen Raum für tiefere Emotionen. Dabei werden weder die kompositorischen noch die schauspielerischen Fähigkeiten überstrapaziert, sondern auf eine Weise kombiniert, die eine unerhörte Dringlichkeit erzeugt.
Der Gesamteindruck dieser Inszenierung kann nur als radikal und mutig bezeichnet werden. Süßkows Ansatz, die Geschichte von "Eines langen Tages Reise in die Nacht" musikalisch zu erkunden, führt zu einer Reise der Gefühle, die kein Wort und Konzept festhalten kann. Die Premiere hat nicht nur im Nürnberger Staatstheater für Aufsehen gesorgt, sondern auch weitreichende Diskussionen über die Grenzen und Möglichkeiten des Theaters angestoßen. Diese Neuinterpretation stellt eindringlich die Frage von Kommunikation und Missverständnissen innerhalb der Familie und beleuchtet dabei die menschliche Psyche in ihrer verletzlichsten Form.
Wer einen tiefen Einblick in diese außergewöhnliche Inszenierung gewinnen möchte, kann sich weitere Informationen auf der Webseite des Staatstheaters Nürnberg einholen.
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