München/Berlin – Die Verknappung der Deponiekapazitäten in Deutschland wirft nicht nur Fragen zur Abfallwirtschaft auf, sondern hat auch weitreichende Auswirkungen auf die gesamte Baubranche. Die Dringlichkeit ist hoch, da bis zum Jahr 2032 mehr als die Hälfte der derzeit betriebenen 1001 Mülldeponien ihre Betriebsdauer erreichen wird. Dies könnte die verbleibende Deponiekapazität um fast ein Drittel auf etwa 300 Millionen Kubikmeter reduzieren, falls nicht umgehend Maßnahmen ergriffen werden.
Baubranche unter Druck
Die Baubranche, die über die Hälfte der in Deutschland anfallenden Abfälle produziert, sieht sich einem drohenden Entsorgungsnotstand gegenüber. Diese Situation wird durch die seit einem Jahr in Kraft befindliche Ersatzbaustoffverordnung verstärkt. Ihre Zielsetzung war es, die Wiederverwendung von Bauschutt und Bodenaushub zu fördern. Die Realität ist jedoch besorgniserregend, wie eine Umfrage unter 156 Firmen zeigt. Über 40 Prozent der Befragten berichten von einer Verringerung des Recyclings im Vergleich zur Zeit vor der Verordnung.
Nachhaltigkeit in der Kritik
Die Nachhaltigkeitsziele sind gefährdet, da immer weniger Bauschutt wiederverwertet wird. Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands der Deutschen Baugewerbes (ZDB), fordert mehr Engagement von Ländern und Kommunen für den Einsatz von Recyclingmaterial. Die momentane Tendenz geht klar in die falsche Richtung, bedauert Tim-Oliver Müller vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie. Trotz der Verordnung landen zunehmend Rohstoffe auf den Deponien, was die Kosten für alle Beteiligten erhöht.
Papiere und Richtlinien verkomplizieren Prozesse
Die Komplexität der Ersatzbaustoffverordnung sorgt zusätzlich für Verwirrung innerhalb der Behörden. Katrin Mees, Geschäftsführerin der Bundesgemeinschaft Recycling-Baustoffe, hebt hervor, dass viele Behördenvertreter oft nicht ausreichend informiert sind, um bei der Umsetzung der Vorgaben zu helfen. Die Unsicherheit unter den Bauunternehmen wächst, während die handlungsfähigen Deponiekapazitäten immer weiter abnehmen.
Regionale Unterschiede verschärfen die Problematik
Bayern und Hessen stehen exemplarisch für Bundesländer mit hohen Bautätigkeiten und begrenzten Deponiekapazitäten. Die Transportwege für Bauabfälle bis zu benachbarten Bundesländern, wie Thüringen, verdeutlichen die Auswirkungen der Deponieknappheit. Das Problem ist kein neues, sondern besteht bereits seit Jahren und könnte sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen, insbesondere wenn keine geeigneten Deponien geschaffen werden.
Öffentliche Akzeptanz für neue Deponien fehlt
Ein zusätzliches Hindernis ist die gesellschaftliche Akzeptanz für neue Mülldeponien. Die Landesregierungen stehen zunehmend vor der Herausforderung, dass kommunale Entscheidungen gegen die Errichtung neuer Deponien getroffen werden. Dies macht eine bundesweite Strategie erforderlich, damit die Kapazität zur Abfallablagerung auch in Zukunft gewährleistet ist.
Evaluierung und Zukunftsperspektiven
Das Bundesumweltministerium hat bislang keine konkreten Hinweise darauf, dass die Änderungen durch die Ersatzbaustoffverordnung zu einer vermehrten Deponierung führen. Eine erste Evaluierung der Verordnung ist bis August 2025 geplant. Parallel dazu läuft ein Forschungsprojekt des Umweltbundesamts zur zukünftigen Deponiekapazität, dessen Ergebnisse bis 2025 erwartet werden.
Insgesamt zeichnet sich ab, dass sowohl Unternehmen als auch die Politik Lösungen finden müssen, um die Abfallwirtschaft in Deutschland zukunftssicher zu gestalten. Der Weg zu einer wirklichen Kreislaufwirtschaft ist steinig, doch unverzichtbar für eine nachhaltige Gesellschaft.
– NAG