In Gießen, einem Stadtort, der sich mit der sozialen Teilhabe junger Menschen beschäftigt, hat jüngst die Mitgliederversammlung des Jugendwerkstatt-Fördervereins stattgefunden. Der bekannte Professor Ernst-Ulrich Huster ergriff das Wort und betonte die Dringlichkeit eines größeren öffentlichen Engagements für die soziale Teilhabe von Jugendlichen. Sein Appell folgte der Feststellung, dass zahlreiche junge Menschen aufgrund ungünstiger sozialer Umstände keinen Schul- oder Berufsabschluss erreichen. Diese Bemerkungen lösten eine intensive Diskussion über Chancengleichheit in der Gesellschaft aus.
Während der Versammlung stellte Huster das Konzept der sozialen Teilhabe als zentralen Aspekt zur sozialen und beruflichen Integration dar. Er wies darauf hin, dass die Gesellschaft die Pflicht hat, jedem Kind ein Leben in Würde zu ermöglichen. „Jeder hat das Recht auf eine zweite Chance“, erklärte Huster weiter, und hob hervor, dass die unterschiedlichen Begabungen nicht für die Ungerechtigkeiten verantwortlich sind, sondern vielmehr die sozialen Milieus, in denen die Kinder und Jugendlichen heranwachsen. Die Diskussion um den Fachkräftemangel, so Huster, müsse zusätzlich hinterfragt werden, um zu klären, welche Talente und Potenziale durch unzureichende Unterstützung nicht gefördert werden.
Verpflichtung des Staates
In seinen Ausführungen referierte Huster auch auf die katholische Soziallehre, insbesondere die Ansichten von Oswald von Nell-Breuning, der die Vorleistungen des Staates für Hilfsbedürftige betonte. Das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, dass der Staat eine Verantwortung zum sozialen Ausgleich hat, was sich aus den Artikeln 1 und 20 des Grundgesetzes ableitet. „Der Staat muss dafür sorgen, dass jeder die Möglichkeit hat, seine Würde zu wahren und aktiv am Leben der Gemeinschaft teilzunehmen“, erklärte Huster. Es gehe hierbei nicht nur um Arbeit und Einkommen, sondern um die umfassende Teilhabe an der Gesellschaft.
Prof. Huster richtete dabei auch einen Blick auf die Rolle der Kirche, die seiner Meinung nach nicht alle Defizite ausgleichen könne, jedoch durch konkrete Maßnahmen Modelle der Teilhabe bieten sollte. Hierzu nannte er die Angebote der Jugendwerkstatt, die als integrative Maßnahme für Aus- und Weiterbildung über die regulären Wege hinaus dient.
Maßnahmen zur Förderung sozialer Teilhabe
Mirjam Aasman, die Geschäftsführerin der Jugendwerkstatt Gießen, nahm ebenfalls an der Versammlung teil und erläuterte die verschiedenen Initiativen, die darauf abzielen, die soziale Teilhabe junger Menschen zu stärken. Zentral sei, so Aasman, ein professionelles Umfeld zu schaffen, in dem reale Arbeitsprozesse für die Qualifizierung und das Erleben von Erfolg zur Verfügung stehen. Wertschätzung und Anerkennung sind hier Schlüsselfaktoren.
Aasman betonte zudem, dass das Ziel der Ausbildungsangebote darin besteht, die jungen Auszubildenden zu einem selbstbestimmten Leben ohne staatliche Transfers zu führen. Eine hohe Ausbildungsqualität ist dabei entscheidend und spiegelt sich in den Erfolgen der Teilnehmer wider, wie etwa durch Auszeichnungen und beste Jahrgangsleistungen. Diese duale Ausbildung versteht sich nicht nur als Jobvorbereitung, sondern auch als Beitrag zur sozialen Kompetenz, die für ein selbstbewusstes und verantwortungsvolles Leben notwendig ist.
Bei der Versammlung berichtete außerdem Dennis W., ein ehemaliger Auszubildender, über seine persönlichen Erfahrungen mit der Jugendwerkstatt. Durch schwere Schicksalsschläge habe er zunächst den Anschluss verloren, doch die Unterstützung, die er im Rahmen eines Arbeitsangebots innerhalb der Jugendwerkstatt erhielt, half ihm, sein Leben neu zu ordnen. Mit neu gewonnenen fachlichen Fähigkeiten und einer positiven Wertschätzung, die er dort erfahren habe, sei es ihm gelungen, erfolgreich eine Ausbildung zu absolvieren und nun schon eine neue Arbeitsstelle in Aussicht zu haben.
Für die Mitgliederversammlung des Fördervereins der Jugendwerkstatt steht klar fest: Soziale Teilhabe ist nicht nur eine Frage der Chancengleichheit, sondern auch eine gesellschaftliche Verpflichtung, die durch gegenseitige Unterstützung und entsprechende Maßnahmen gefördert werden muss. Dies zeigt sich deutlich in den Programmen und Initiativen, die in Gießen umgesetzt werden, um jungen Menschen eine Perspektive zu bieten.