In der Prignitz wird seit beinahe zwei Jahren ein umstrittenes Projekt des Mineralölkonzerns Shell heiß diskutiert: der Bau einer großen Biomethananlage in Karstädt. Am kommenden Sonntag findet parallel zur Landtagswahl eine Bürgerbefragung statt, bei der die Anwohner ihre Meinung zu diesem wichtigen Vorhaben kundtun können.
Die geplante Anlage soll auf einem riesigen Feld aufgestellt werden, das derzeit noch von landwirtschaftlichen Kulturen, insbesondere Mais, beackert wird. Sollte das Projekt realisiert werden, könnten hier bis zu 16 große Fermentertanks entstehen, in denen bis zu 500.000 Tonnen Gülle, Mist und andere landwirtschaftliche Abfälle jährlich in Biomethan umgewandelt werden. Der überwiegende Teil dieses gewonnenen Gases soll in ein Gaspipeline-Netz eingespeist und anschließend in Bio-LNG für den Lkw-Verkehr verarbeitet werden.
Hoffnung auf wirtschaftlichen Aufschwung
Bürgermeister Udo Staeck (CDU) sieht in der Biomethananlage eine bedeutende wirtschaftliche Chance für die Kommune. „Die moderne Anlage könnte für Arbeitsplätze sorgen, Gewerbesteuer einbringen und zusätzlich einen Teil des benötigten Methans liefern“, betont Staeck. In Verbindung mit einem weiteren Projekt zur Wasserstoffproduktion wird die Hoffnung geäußert, dass hier sogar Methanol erzeugt werden kann.
Allerdings spaltet das Shell-Projekt die Gemüter in Karstädt. Viele Bürger haben Bedenken bezüglich der möglichen Folgen für die Umgebung, darunter steigender Verkehr, Lärm und Umweltverschmutzung. Benedikta Meinberg, eine der Sprecherinnen der Bürgerinitiative „Stoppt Shell Karstädt“, äußert diese Sorgen deutlich: „Wir befürchten vor allem, dass eine große Chemieanlage in unmittelbarer Nähe zu einem Wohngebiet entsteht – und wir wissen nicht, wie die Verhandlungen zwischen den Verantwortlichen und dem Konzern verlaufen werden.“
Über die Transparenz der Planungsprozesse wird ebenfalls diskutiert, da die Bürgerinitiative der Ansicht ist, dass zu wenig Informationen vom Unternehmen bereitgestellt werden. Trotz der Gründung einer Arbeitsgruppe, die Kriterien für den Bau festlegen soll, gibt es noch viele offene Fragen. Ein Mitglied der Initiative befürchtet, dass die benötigten Rohstoffe für die Biomethanproduktion möglicherweise aus weit her transportiert werden müssen, da in der Umgebung nur wenige Milchkuhbetriebe existieren.
Die lokale Landwirtschaft sieht das Projekt hingegen positiv. Der Landkreisbauernverband Prignitz argumentiert, dass die Anlage ökonomisch und ökologisch sinnvoll sei, da sie den Landwirten eine zusätzliche Einnahmequelle bieten könnte und die Transportwege kurz seien.
Sorgen um Geruchsbelästigung und Sicherheit
Eine weitere Sorge, die viele Anwohner plagt, betrifft mögliche Geruchsbelästigungen. Erfahrungen mit ähnlichen Anlagen, wie beispielsweise in dänischen Kvaers, haben gezeigt, dass die Anwohner sich über den Gestank beschweren. Zudem gibt es Sicherheitsbedenken, da die nahegelegenen Freiwilligen Feuerwehren nicht für die spezifischen Anforderungen einer Industrieanlage ausgebildet sind. Es wird gefürchtet, dass unter Umständen gefährliche Gase freigesetzt werden könnten.
Mit der bevorstehenden Bürgerbefragung erhoffen sich die Bürger, die Meinung der Bevölkerung zu diesem Thema klar und deutlich zu erfahren. Unterdessen haben sich auch zwölf Ärzte, Apotheker und Therapeuten aus Karstädt in einer gemeinsamen Stellungnahme gegen die Biomethananlage ausgesprochen. Sie äußern Bedenken bezüglich der Sicherheit und der Attraktivität des Wohnortes, was ihre Fähigkeit, Nachfolger für ihre Praxen zu finden, gefährden könnte.
Die Bürgerinitiative hatte bereits im vergangenen Jahr über 2.000 Unterschriften gegen die Biomethananlage gesammelt, jedoch stimmte der Gemeinderat später mit knapper Mehrheit für die Fortführung der Planungen. Jetzt, mit der abstimmenden Bürgerbefragung, hoffen die Bürger, dass ihre Stimmen gehört werden und das Ergebnis Einfluss auf die künftige Entscheidung des Gemeinderats hat. Shell hat bereits angekündigt, die demokratischen Entscheidungen zu akzeptieren und steht in regelmäßigem Kontakt mit der Gemeindeverwaltung.
Für eine detaillierte Betrachtung des Falls, siehe den Bericht auf lomazoma.com.