In der malerischen Region der Prignitz, in Deutschland, schaffen es leidenschaftliche Obstbauern, alte Apfelsorten am Leben zu halten. Diese Sorten, die in den Regalen der Supermärkte kaum mehr zu finden sind, ziehen immer mehr Aufmerksamkeit auf sich. Oft haben sie etwas Eigenwilliges an sich, was sie für den Massenmarkt unattraktiv macht. Dennoch gibt es Initiativen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, diese schmackhaften Schätze zu bewahren.
Einer dieser engagierten Obstbauern ist Rainer Still, der vor mehr als sechs Jahren einen altgedienten Bauernhof in Krams übernahm. Unter den rund 200 Bäumen auf seinem Hof befinden sich viele alte Apfelsorten wie „Alkmene“, „Herzvater“ und „Geheimrat Breuhahn“. Diese Sorten sind nicht nur aus geschmacklicher Sicht einzigartig, sie haben auch eine Geschichte, die es wert ist, erzählt zu werden. Still berichtet, dass viele seiner Obstbäume jahrzehntelang vernachlässigt wurden, doch jetzt blühen sie wieder auf. Pro Jahr erntet er zwischen zwei und drei Tonnen Äpfel, die vor allem zu Saft oder Wein verarbeitet werden. Tafeläpfel sind die Seltenheit.
Warum alte Sorten wichtig sind
Die Obstsorte macht den Unterschied, und das merkt man auch am Geschmack. „Alte Sorten sind viel individueller“, erklärt die Landschaftsnutzungsexpertin Urte Delft. Während im Supermarkt oft nur eine begrenzte Palette an Äpfeln erhältlich ist – oft mit ähnlich aussehenden Früchten – sind alte Apfelsorten ein wahres Geschmacksabenteuer. In den letzten Jahren haben sich immer mehr Menschen dafür interessiert, alte Sorten anzubauen und zu erhalten. Dafür gibt es sogar finanzielle Unterstützung vom Land, wie die Förderung von Streuobstwiesen über verschiedene Programme zur Biodiversität.
Das Erbe der alten Apfelsorten beinhaltet nicht nur kulinarische Aspekte, sondern auch ökologische. Anja Hübner, die in Dannenwalde eine eigene Streuobstwiese angelegt hat, sieht die Erhaltung dieser Sorten als entscheidend an – insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel. „Ökologische Vielfalt ist wichtig, auch wegen des Klimawandels“, betont sie. Viele Menschen sind sich dessen bewusst und setzen sich gezielt für den Erhalt dieser wertvollen Sorten ein.
Die Obstbauversuchsstation in Müncheberg, östlich von Berlin, ist ein weiteres Beispiel für das Engagement in diesem Bereich. Dort werden über 800 verschiedene Obstsorten, darunter 600 Apfelsorten, gepflegt und erhalten. Tobias Hahn, der technische Leiter der Station, erklärt, dass traditionelle Apfelsorten oft „ein Stück Romantik oder Traditionsbewusstsein“ in sich tragen und als Kindheitserinnerung gelten. Ihre ernährungsphysiologische Bedeutung ist ebenfalls nicht zu unterschätzen: alte Sorten enthalten oft mehr gesunde Inhaltsstoffe als moderne Hochleistungsfrüchte.
Doch trotz des wachsenden Interesses an alten Apfelsorten haben diese es schwer im Handel. Die Konsumenten wünschen sich ein einheitliches Aussehen und einen konstanten Geschmack. Das führt dazu, dass die zarten Geschmäcker der alten Sorten oft in den Hintergrund gedrängt werden. „Zugreifen tut man in der Kaufentscheidung auch über das Auge“, sagt Hahn und erinnert daran, dass gerade für Most oder Cider die besonderen Eigenschaften der alten Sorten sehr gefragt sind.
Die Realität ist, dass viele alte Apfelsorten nicht einfach in großen Mengen produziert werden können. Umso erstaunlicher, dass die kleinen Initiativen, wie sie beispielsweise von Rainer Still und Urte Delft in der Prignitz betrieben werden, immer wieder aufblühen. Diese „Verrückten“, wie sie sich selbst nennen, sind überzeugt von der Wichtigkeit des Erhalts und sind Teil einer wachsenden Gemeinschaft, die Wissen und Ressourcen miteinander teilt.
Inmitten all der Herausforderungen durch Wetterkapriolen und Ernteausfälle – sehr viele Obstbauern haben in diesem Jahr mit extremen Verlusten zu kämpfen – bleibt der Enthusiasmus der Obstbauern ungebrochen. Unabhängig von der Vermarktung ihrer Erzeugnisse im Nebenerwerb, kämpfen sie weiter für den Erhalt und die Pflege der alten Apfelsorten. Es bleibt abzuwarten, wie sich die These von Tobias Hahn bewahrheitet, dass eine größere Rückkehr dieser Sorten in den Erwerbsobstbau unwahrscheinlich ist, während die Leidenschaft für alte Sorten immer stärker zu wachsen scheinen. Mehr über diese Initiativen und deren wertvolle Arbeit findet sich in einem ausführlichen Bericht auf www.fr.de.