In einer bewegenden Zeremonie in der Frankfurter Paulskirche wurde die bekannte Philosophin Seyla Benhabib mit dem Adorno-Preis ausgezeichnet. Dieser Preis wird alle drei Jahre an Adornos Geburtstag, dem 11. September, verliehen und ist mit 50.000 Euro dotiert. Benhabib, die von jüdischen Eltern in der Türkei geboren wurde und heute in den USA lehrt, stellte in ihrer Dankesrede die zentrale Bedeutung von Theodor W. Adorno für aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen heraus.
Sie betonte, dass die gegenwärtigen Konflikte, wie die hitzige Debatte um Migration und den Klimawandel, oft zu identitären und ausschließenden Haltungen führen könnten. Für sie sei es jedoch unerlässlich, den Dialog über unterschiedliche Sichtweisen zu suchen. Benhabib führt dies auf die Denkweise Adornos zurück, die sie als „erweiterte Denkungsart“ bezeichnete. Diese Form der Auseinandersetzung sei notwendig, um eine plurale Gesellschaft zu fördern.
Frankfurt als intellektuelles Zentrum
Die Philosophin erinnerte sich daran, wie prägend ihre Zeit in Frankfurt war. 1980 kam sie in die Stadt, und in ihrer Dankesrede sprach sie über ihre Erfahrungen mit Jürgen Habermas am Max-Planck-Institut. „Das hat mein Leben für immer verändert“, erklärte Benhabib und erinnerte sich an die dynamische intellektuelle Gemeinschaft, die in Frankfurt während ihrer Studienzeit entstand. Die Stadt war ein Zentrum des Denkens, ein Treffpunkt für internationale junge jüdische Intellektuelle, die in den politischen Diskursen der Zeit aktiv waren, unter anderem zum Vietnamkrieg und zur Frage der jüdischen Geschichte nach der Schoa.
Ihr Laudator, der Wissenschaftshistoriker Martin Jay, bestätigte den Einfluss von Benhabib und hob hervor, dass sie nicht nur als Lehrerin, sondern auch als Philosophin von Bedeutung sei, deren Ideen für die Herausforderungen der modernen Welt tauglich sind. Benhabib plädierte dafür, dass philosophische Diskussionen nicht von persönlichen politischen Haltungen abhängen sollten. Der Konflikt rund um die Philosophin Nancy Fraser diente als Beispiel, dass der respektvolle Austausch auch in Differenzen möglich sein sollte.
Aktuelle Herausforderungen und die Philosophie Adornos
Benhabib thematisierte auch die Schwierigkeiten unserer Zeit: Kriege, Migration und wachsende soziale Ungleichheit. Diese Probleme sollten nicht in ein identitäres Denken oder in Abgrenzung münden, wie sie warnte. Vielmehr müsse es darum gehen, Adornos Vermächtnis zu wahren, indem man von einer negativen Universalität zu einer nicht-identitären Solidarität übergehe. Der Dialog und das Verständnis anderer Perspektiven seien fundamentale Schritte, um gesellschaftliche Spaltungen zu überwinden.
Die Preisträgerin rief dazu auf, bestehende Vorurteile und Ängste abzubauen und eine gemeinsame Zukunft zu gestalten. Sie vermittelte das Gefühl, dass Philosophinnen und Philosophen wie Adorno auch in der heutigen Zeit als Wegweiser fungieren können. Ihr Aufruf zur Identitätsüberwindung und Solidarität in einem fragmentierten Zivilisationsentwurf fand bei den Zuhörern große Resonanz.
Insgesamt bot die Verleihung des Adorno-Preises nicht nur eine Hommage an eine bedeutende Denkerin, sondern auch einen klaren Anstoß zur Reflexion über die Themen, die unsere Gesellschaft aktuell bewegen. Der Austausch von Ideen und das Streben nach Verständnis könnten, so Benhabib, die Schlüssel zu einer besseren Zukunft sein. Dies unterstützte die Worte ihres Laudators, der den Gedanken weiterführte, dass das Werk von Denkerinnen wie Benhabib nicht nur in akademischen Kreisen geschätzt werden sollte, sondern auch breitere gesellschaftliche Relevanz verdient.
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