Im August 1994 endete eine Ära in der Stadt Brandenburg an der Havel, als der letzte Zug mit russischen Soldaten und deren Equipment die Stadt verließ. Diese historische Abfahrt markierte das endgültige Aus für eine militärische Präsenz, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs das Stadtbild geprägt hatte. Die Gegenwart der sowjetischen Streitkräfte, die bis zur Wende 1989 in Brandenburg stationiert waren, hinterließ nicht nur bauliche Spuren, sondern auch tief verwurzelte Erinnerungen bei den Anwohnern.
Brandenburg gehörte zu den größten Garnisonen der sowjetischen Landstreitkräfte in der ehemaligen DDR. Zwischen 1945 und 1993 waren hier diverse Truppenteile untergebracht, darunter auch eine Artillerieeinheit und sogar eine Flakdivision. Der Flugplatz Briest war ein weiterer wichtiger Standort, auf dem Jagd- und Transportflugzeuge stationiert waren. Die militärische Präsenz war für viele Bürger vor Ort eine regelmäßige Erfahrung, und einige erinnert sich noch gut an die eindrucksvollen Panzerfahrten durch die umliegenden Wälder.
Die historischen Berührungspunkte
Ein wichtiger Aspekt dieser Geschichte sind die alltäglichen Berührungspunkte zwischen der sowjetischen Besatzung und der Zivilbevölkerung. In den strengen Wintern von 1962/63 kamen die Soldaten den Bewohnern zur Hilfe, indem sie die Straßen räumten und die Eisdecke auf den Seen aufbrachen, um eine Sauerstoffversorgung zu gewährleisten.
In den 1960er Jahren waren die Soldaten nicht nur in militärische Aktivitäten verwickelt; sie nahmen auch an zahlreichen lokalen Projekten teil. Dazu gehörten der Bau der Regattastrecke und des Freibades am Marienberg, der vielen Kirchmöseranern in Erinnerung geblieben ist. Vor allem die Ausdauerläufe der Soldaten um den „Heiligen See“ werden von den Anwohnern als besonders prägend wahrgenommen.
Als der Konsum in der DDR oft begrenzt war, erfreute sich das „Magasin“, ein Geschäft, das sowohl sowjetische als auch deutsche Waren anbot, großer Beliebtheit. Viele Deutsche bewunderten die Geschicklichkeit der Verkäuferinnen, die mit dem Recheninstrument „Abakus“ arbeiteten. Diese alltäglichen Wechselwirkungen lieferten den Bürgern einen spannenden Einblick in die Kultur der sowjetischen Soldaten und deren Familien.
Das Ende einer militärischen Präsenz
Die stationierten Truppenteile wie die 1. Bau-Pionierbrigade und das 147. Kfz-Ausbildungsregiment waren bis zur endgültigen Übergabe am 30. August 1994 in der Stadt aktiv. In ihren besten Zeiten umfasste das Ausbildungsregiment bis zu 2000 Soldaten und zählte zu den größten militärischen Einrichtungen in der Region. Das Ende dieser Präsenz bringt nicht nur einen Wandel für die Vormachtstellung der ehemaligen Sowjetunion, sondern auch für die lokale Gemeinschaft, die durch diese Präsenz geprägt wurde.
Insgesamt lebten über 1889 Soldaten und 781 Zivilbedienstete der Westgruppe der Truppen in Brandenburg. Diese präsentierten sich nicht nur in den Kasernen, sondern auch im städtischen Leben, etwa in den Kaufhäusern und auf den Märkten. Die Anwesenheit dieser großen Truppe war natürlich nicht nur von Nöten, sondern führte auch zu Spannungen mit der einheimischen Bevölkerung.
Mit dem Weggang der Soldaten und der Übergabe der Liegenschaften in der Provinz Brandenburg stellte sich die Frage der Nachnutzung der militärisch verwendeten Flächen. Parkanlagen, Wohngebiete und gewerbliche Flächen traten an die Stelle der Kasernen und Depots. Bußgelder wurden nicht mehr eingefordert, der Raum blieb jedoch vorerst ungenutzt. Es ist sicher, dass dieser Übergang eine tiefgehende Auswirkung auf die Stadt haben wird.
Ein unwiderruflicher Wandel
Der Abzug der russischen Streitkräfte stellt nicht nur das Ende eines bedeutenden Kapitels in der Geschichte Brandenburgs dar, sondern auch den Wandel in der geopolitischen Landschaft Europas nach dem Kalten Krieg. Die Spannungen, die durch diese militärische Präsenz erzeugt wurden, haben nun einen neuen, friedlicheren Raum geschaffen, der Möglichkeiten für eine neue Zukunft für die Stadt und ihre Bürger eröffnet.
Das, was damals mit dem letzten Zug begann, hat das Potenzial, eine neue Identität für Brandenburg zu beschleunigen und die Türen für moderne Entwicklungen zu öffnen. Es bleibt abzuwarten, wie die Stadt Brandenburg an der Havel sich in den nächsten Jahrzehnten weiterentwickeln wird.
Soziale und kulturelle Interaktionen
Die soziale Interaktion zwischen den sowjetischen Soldaten und den Einwohnern von Brandenburg an der Havel war bemerkenswert und vielschichtig. Trotz der politischen Spannungen während des Kalten Krieges wurden zahlreiche alltägliche Begegnungen möglich, die sowohl positive als auch herausfordernde Aspekte in den Beziehungen mit sich brachten. Oftmals kam es zu freundschaftlichen Begegnungen, bei denen sich die Soldaten und die Bürger beim Sport oder bei Festen austauschten. Die Erwähnung von gemeinsamen Aktivitäten, wie die Unterstützung des Aufbaus der Regattastrecke oder des Freibades, zeigt, dass trotz der politisch-militärischen Trennung auch zwischenmenschliche Bindungen entstanden.
Das sogenannte „Magasin“ war ein weiterer Ort der Interaktion, wo deutsche und sowjetische Bürger ihre Einkäufe tätigten und sich gewissermaßen im Alltag trafen. Diese Geschäfte boten nicht nur Produkte des täglichen Bedarfs, sondern auch eine Gelegenheit für soziale Begegnungen, die über bloße Käuferverkäufer-Beziehungen hinausgingen. Dennoch wurde die Anwesenheit der sowjetischen Soldaten von manch einem Einwohner kritisch betrachtet, insbesondere in Anbetracht der Mangelversorgungslage in der DDR. Es war ein ständiges Hin und Her zwischen Bewunderung und Ablehnung.
Die politische Dimension der Militärpräsenz
Die militärische Präsenz in Brandenburg an der Havel war nicht nur ein Teil der militärischen Strategie der Sowjetunion, sondern hatte auch tiefe politische Implikationen. Während des gesamten Kalten Krieges beanspruchte die Sowjetunion die Kontrolle über verschiedene Teile Deutschlands, und Brandenburg war für sie von strategischer Bedeutung. Die Stationierung von Truppen in der Nähe von Westberlin war eine bewusste Maßnahme, um den Druck auf den Westen aufrechtzuerhalten.
Mit der Wende 1989 und dem anschließenden Abzug der sowjetischen Truppen begann eine langsame Transformation der politischen Landschaft in Deutschland. Die Schließung und Übergabe der Militärstandorte in Brandenburg an der Havel war nicht nur ein logistischer Prozess, sondern auch ein Symbol für das Ende einer Ära. In den Jahren nach dem Abzug der Truppen entstanden neue Möglichkeiten für die Stadt, sich zu erneuern und neu zu positionieren, sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich. Der Rückzug öffnete den Weg für eine verstärkte Zivilisierung des Areals, wobei ehemalige Militärstandorte für zivilgesellschaftliche Zwecke umgenutzt wurden.
Bundesministerium der Verteidigung betont die Bedeutung des Abzugs der sowjetischen Truppen für die deutsche Wiedervereinigung und die Stabilität in Europa.
– NAG