Dresden/Erfurt/Berlin (dpa) – Ein bedeutender Wandel in der deutschen politischen Landschaft zeigt sich in den jüngsten Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen. Die AfD, die von Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird, hat in Thüringen laut Hochrechnungen zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte die Spitzenposition bei einer Landtagswahl erreicht. In Sachsen hingegen stellt die CDU weiterhin die stärkste Kraft, doch die AfD konnte auch dort deutlich zulegten. Ein neuer Akteur, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), trat aus dem Stand auf und sorgt in beiden Ländern für bemerkenswerte Wahlergebnisse.
In Thüringen erzielt die AfD unter ihrem Spitzenkandidaten Björn Höcke voraussichtlich zwischen 32,8 und 33,2 Prozent der Stimmen, was einen klaren Anstieg im Vergleich zu 2019 darstellt, wo sie lediglich 23,4 Prozent erreichte. Die CDU folgt mit 23,6 bis 23,8 Prozent, was ebenfalls einen leichten Anstieg im Vergleich zu den letzten Wahlen bedeutet. Von großer Bedeutung ist die Tatsache, dass die Linke, angeführt von Ministerpräsident Bodo Ramelow, dramatische Einbußen erleidet und auf 12,7 bis 12,9 Prozent sinkt, während das neu gegründete BSW 15,5 bis 15,6 Prozent erlangt.
Wahlen in Sachsen
In Sachsen bleibt die CDU mit geschätzten 31,5 bis 31,8 Prozent die stärkste Kraft, jedoch drängt die AfD mit 30,4 bis 30,8 Prozent dicht auf die Fersen – ein sprunghafter Anstieg gegenüber 27,5 Prozent bei der letzten Wahl. Hier erzielt das BSW aus dem Stand 11,5 bis 11,9 Prozent. Die Linke, die in der Vergangenheit deutlich stärker war, schafft es nur auf 4,4 bis 4,8 Prozent und ist damit weit von ihrem früheren Ergebnis entfernt. Wie in Thüringen müssen auch in Sachsen Ministempel in der Ampel-Koalition Verluste hinnehmen: die SPD liegt bei 7,4 bis 7,6 Prozent, während die Grünen zwischen 5,2 und 5,5 Prozent erzielen.
Für die Ampel-Koalition auf Bundesebene sind diese Wahlergebnisse eine große Enttäuschung. Der SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert kündigte an, das Profil seiner Partei schärfen zu wollen. „Es geht darum, sich stärker zu emanzipieren“, erklärte er, und deutete damit auf interne Konflikte hin, die ebenfalls zum schlechten Abschneiden beigetragen haben könnten. FDP-Chef Christian Lindner zeigte sich ebenfalls betroffen und betonte, dass sich die Partei nicht von ihrem Kurs abbringen lassen werde.
Bedeutung der Wahlergebnisse
Die Resultate dieser Wahlen haben tiefgreifende Auswirkungen auf die politischen Machtverhältnisse in Thüringen und Sachsen. In Thüringen steht die rot-rot-grüne Minderheitsregierung unter Druck, da eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen ist. Höcke signalisiert zwar, nach neuen Koalitionsmöglichkeiten zu suchen, jedoch ist unklar, wie sich diese Entwicklungen auswirken werden. Thuringens CDU-Chef Mario Voigt sieht sich in der Verantwortung und möchte Gespräche mit der SPD sowie dem BSW führen.
In Sachsen hätte die CDU, die unter Ministerpräsident Kretschmer seit 2019 bereits eine Koalition führt, die Möglichkeit, erneut eine Regierung zu bilden. Die Grünen hingegen müssen mit einem möglichen Auszug aus dem Landtag rechnen, und die Linke wird durch die 5-Prozent-Hürde stark eingeschränkt.
Die Wahlergebnisse zeigen, dass nicht nur eine Neuorientierung innerhalb der Parteien erforderlich ist, sondern sie offenbaren auch die zukunftsweisenden Herausforderungen, vor denen die politischen Akteure stehen. Mit der AfD, die in beiden Ländern erhebliche Stimmengewinne erringen konnte, sind viele Akteure gefordert, neue Strategien zur Wählerbindung zu entwickeln und Herausforderungen in der Regierungsbildung zu meistern. Auf was für Entscheidungen und Koalitionen wir uns in Zukunft einstellen können, bleibt ungewiss, aber eines ist klar: Die Wähler haben ein starkes Zeichen gesetzt.
– NAG