Die aktuelle Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz in die ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens ist ein markanter Schritt, der nicht nur wirtschaftliche Interessen, sondern auch geopolitische Strategien Deutschlands im Fokus hat. Scholz hat am frühen Morgen mit seinem Regierungsflieger die Reise nach Usbekistan angetreten, wo er mehrere wichtige Abkommen schließen will, darunter ein Migrationsabkommen mit dem Land an der Grenze zu Afghanistan. Diese Abkommen sollen die Einwanderung usbekischer Fachkräfte nach Deutschland erleichtern und die Rückführung von illegalen Einwanderern unterstützen.
Am Montag wird der Kanzler für zwei Tage nach Kasachstan weiterreisen, dem größten und wirtschaftlich stärksten Land der Region, um an einem Gipfeltreffen mit Vertretern aus Kirgistan, Turkmenistan und Tadschikistan teilzunehmen. Scholz verfolgt das Ziel, die bereits bestehenden Beziehungen zu diesen Ländern zu intensivieren. Vor einem Jahr wurde in Berlin eine strategische Partnerschaft ins Leben gerufen, die Schwerpunkte in den Bereichen Wirtschaft, Energie, Klima und Umwelt umfassen soll. Diese Partnerschaft gilt es nun mit konkreten Inhalten zu füllen.
Geopolitische Veränderungen und neue Perspektiven
Die geopolitische Landschaft hat sich durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine stark verändert. Die Abhängigkeit von russischen Energiequellen ist für Deutschland zunehmend problematisch geworden. Die Bundesregierung nimmt nun die Rohstoffvorkommen in Zentralasien ins Visier. Kasachstan spielt hierbei eine Schlüsselrolle, da es bereits Öl zu wichtigen deutschen Raffinerien liefert. Zudem interessieren sich europäische Unternehmen für die Gasvorkommen der Region, die auch Uran, Zink, Kupfer und Gold bereithält. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Wasserstoffproduktion aus erneuerbaren Energien.
Allerdings wünscht sich die Bundesregierung nicht nur wirtschaftliche Erfolge. Die Menschenrechtslage in diesen Staaten ist besorgniserregend. Länder wie Turkmenistan stehen wegen gravierender Menschenrechtsverletzungen in der internationalen Kritik. Vor der Reise forderte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, dass Scholz diese Missstände offen anspricht. Der Regionaldirektor Hugh Williamson appellierte an die deutsche Regierung, engere Beziehungen nicht ohne signifikante Verbesserungen der Menschenrechtslage zu forcieren.
Herausforderungen in der internationalen Diplomatie
Die zentralasiatischen Staaten sind zwischen ihren historischen Bindungen zu Russland und dem Drang, die Beziehungen zum Westen zu intensivieren, gefangen. Dies stellt eine diplomatische Herausforderung dar. Kasachstan hat in den letzten Monaten ein Anstieg der Exporte nach Russland verzeichnet, was den Verdacht aufwirft, dass westliche Unternehmen versuchen, Sanktionen gegen Russland durch diese Staaten zu umgehen. Scholz plant, diese Thematik während seiner Reise „angemessen anzusprechen“. Dabei ist zu beachten, dass Kasachstan die längste Landgrenze der Welt mit Russland teilt.
Der Besuch in Usbekistan beginnt mit einem kulturellen Highlight: In der malerischen Stadt Samarkand, auch als „Perle des Orients“ bekannt, wird Scholz die historischen Stätten besuchen, einschließlich der beeindruckenden Tilla-Kori-Moschee aus dem 17. Jahrhundert. Usbekistan, mit seinen gut 36 Millionen Einwohnern, öffnet sich seit Jahren zunehmend dem Westen und zieht durch zahlreiche Reformen Investoren an. Die Erfolge dieser Politik spiegeln sich in einem erwarteten Wirtschaftswachstum von über fünf Prozent in diesem Jahr wider, was auch den Handelsbeziehungen zu Russland und China geschuldet ist.
Scholz‘ bevorstehendes Gipfeltreffen mit den fünf Zentralasiatischen Staaten ist ein bedeutender Schritt, um die Rolle Deutschlands in dieser strategisch wichtigen Region neu zu definieren. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass auch russische Präsident Wladimir Putin erst im Mai in Usbekistan war, wo er bedeutende Investitionen in die dortige Infrastruktur ankündigte. Damit wird deutlich, wie schwierig es ist, in dieser dynamischen geopolitischen Landschaft zu agieren, in der wirtschaftliche und politische Interessen eng miteinander verwoben sind.