In vielen deutschen Städten dürfen Frauen nun oberkörperfrei baden, doch die Realität sieht anders aus. Während es rechtlich erlaubt ist, ist die gesellschaftliche Akzeptanz nach wie vor eine Herausforderung. Unsere Autorin begibt sich auf eine persönliche Reise ins Freibad, um die Stimmung und die Erfahrungen der Frauen beim „Oben ohne“ zu erkunden.
Bei strahlendem Sonnenschein und 26 Grad betritt sie das Humboldthain Sommerbad in Berlin-Wedding. Trotz der warmen Temperaturen gibt es einen klaren Unterschied: Während Männer in Hülle und Fülle ohne Oberteil baden, sind Frauen in der klaren Unterzahl. An einem gewöhnlichen Mittwoch um 16 Uhr fühlt es sich für die Autorin an, als wäre sie die einzige, die mit der neuen Regelung experimentiert. Nur wenige Frauen nutzen die Möglichkeit, bei Hitze ohne Bikini-Oberteil zu entspannen.
Neuregelung durch eine mutige Frau
Das Interesse an diesem Thema wurde mit dem Fall einer Frau geweckt, die im Dezember 2022 im Hallenbad in Berlin-Kaulsdorf Oberkörper frei schwimmen wollte. Nach einer Konfrontation mit dem Aufsichtspersonal, das sie zur Bedeckung aufforderte, wurde sie des Bades verwiesen. Dies führte zu einer offiziellen Beschwerde bei der Ombudsstelle für Antidiskriminierung des Landes Berlin. Ihr Mut führte zu einer Neuregelung: Die Berliner Bäderbetriebe stellten klar, dass „das Schwimmen ‚oben ohne‘ für alle Personen gleichermaßen erlaubt“ ist.
Ihr Beispiel inspirierte nicht nur Berlin, sondern auch andere Städte wie Göttingen, Köln und München, ähnliche Vorschriften zu erlassen. Die Öffnung für eine feministische Schwimmpraxis stellt einen bedeutsamen Schritt in Richtung Gleichheit dar, auch wenn die Umsetzung noch hinter den rechtlichen Vorgaben zurückbleibt.
Ein Gefühl von Unsicherheit und Gänsehaut
Als die Autorin sich schließlich dazu entscheidet, das Schwimmbad zu erkunden, sind ihre Gedanken ein Wechselbad der Gefühle. Der Wunsch, sich frei zu fühlen, wird von der Angst, belästigt zu werden, überschattet. Ihre Erfahrungen in der Vergangenheit, darunter unangenehme Momente und der drückende Blick von Männern, lassen sie bei jedem Schritt zögern.
Es ist nicht das erste Mal, dass sie sich in einer solch verletzlichen Position befindet. Während ihrer Studienzeit hatte sie bereits einen erniedrigenden Vorfall, an den sie mit Unbehagen zurückdenkt. Diese Erinnerungen verstärken ihre Nervosität. Entsprechend sucht sie sich einen ruhigen Platz im Freibad, weit weg von den prüfenden Augen fremder Männer.
Doch als sie sich schließlich hinlegt, wird sie überrascht: Die meisten Umstehenden schenken ihr nicht die Aufmerksamkeit, die sie bei den ersten Blicken befürchtete. Nach anfänglicher Anspannung stellt sie fest, dass ihre Ängste unbegründet sind. Es fühlt sich befreiend an, auch wenn die innere Unruhe sie nicht ganz loslässt.
Die Angst vor Übergriffen ist real, und eine Umfrage zeigt, dass mehr Männer (71 Prozent) als Frauen (45 Prozent) ein geschlechterübergreifendes „Oben ohne“-Schwimmen befürworten. Die Sorge um mögliche sexuelle Belästigungen bleibt jedoch ein großes Hindernis für viele Frauen. Ein pures Sonnenbad wird durch diese Bedenken überschattet.
Die Berliner Bäderbetriebe berichten Tatsache, dass sich am Verhalten weiblicher Gäste wenig verändert habe seit der Einführung der neuen Regelung. Die Mehrheit entscheidet sich weiterhin für die klassische Badekleidung. Die Vorstellung, selbstbewusst „oben ohne“ im Wasser zu schwimmen, bleibt für viele Frauen ein unerreichter Traum.
Die Autorin macht einen weiteren pikanterlder Beobachtung: Selbst beim Gang zur Toilette, der den Wechsel von „oben ohne“ zu „oben mit“ bedeutet, macht sie die Erfahrung, dass es für Frauen nicht einfach ist. Auf dem Weg dorthin sieht sie, wie zwei Frauen mit Fassungslosigkeit für modernes Badewesen zeigen, dass sie, unabhängig von potenziellen Bloßstellungen, sich einfach wohlfühlen. Das Gefühl, nicht alleine zu sein, bringt eine kleine Erleichterung.
All diese Eindrücke verdeutlichen, dass gesetzliche Entscheidungen zwar einen Fortschritt darstellen, die soziale Akzeptanz und das persönliche Wohl immer noch herausfordernd sind. Solange gesellschaftliche Normen und individuelle Ängste existieren, bleibt das oberkörperfreie Schwimmen für viele Frauen eine Frage des Mutes und des sozialen Umfeldes.
– NAG